Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Füße platt gelaufen habe und gehe zu meinem Doppelbett. Es misst hundertachtzig mal zweihundert Zentimeter und wurde mit einer weichen Matratze bestückt. Mein Hintern sinkt tief in das Polster ein. Ich richte meinen Blick auf den Flachbildfernseher, den ich zu meiner Beruhigung eingeschaltet habe. Das belanglose Gedudel, das das Gerät aussendet, bewirkt leider das genaue Gegenteil. Die Reality-Soap, der ein Privatsender ernsthaft Sendezeit eingeräumt hat, treibt mir sprichwörtlich Tränen in die Augen. Es ist die Art von unangenehmen Tränen, die auch beim Zwiebelschneiden entstehen. Ähnlich unterhaltsam ist diese Sendung. Laienschauspieler quälen sich durch ein vorhersehbares Skript und nerven mich mit ihren dramatischen Gesten und ihrem übertriebenen Getue. Sie sehen aus wie Kinder, die zum ersten Mal auf der Bühne stehen und für ihre Eltern Schultheater aufführen. Sie betonen manche Worte unnatürlich stark und müssen sich bei einigen Dialogen das Lachen verkneifen. Und so ein Mist läuft im Vorabendprogramm, wenn die meisten Menschen abgeschlafft von der Arbeit nach Hause kommen und etwas Besseres zu ihrer Unterhaltung verdient hätten. Gute Nacht, Niveau! Als bei einer Szene auch noch das Stabmikrophon des Tontechnikers von oben ins Bild fällt, schalte ich die Sendung verärgert ab. Die Lust auf Fernsehen ist mir gründlich vergangen.
Ich falle nach hinten auf das Bett und genieße die Ruhe des leeren Zimmers. Den linken Arm habe ich hinter dem Kopf verschränkt; der rechte Arm schmiegt sich an meinem Körper an. Ich verdränge alle Gedanken aus meinem Kopf. Sie schweben in eine andere Dimension. Ich will nicht einmal mehr etwas fühlen, geschweige denn denken. Ich möchte nur atmen. Ein und aus. Ein und aus. Mein Körper entspannt sich. Endlich finde ich Frieden an diesem unsäglichen Tag. Meine Augen schließen sich. Nicht mehr lange und ich dämmere weg ins Reich der Träume. Ich entferne mich von der Realität. Ich bin beinahe …
E in Klingeln.
Aus der Ferne schrillt es laut auf. Betörend und nervig zugleich. Mein Handy. Ich öffne die Augen wieder und schnelle wie ein Klappmesser nach oben. Mein Kreislauf nimmt sofort wieder seinen Betrieb auf. Ich lehne mich nach links zu dem Nachttisch, auf dem mein Mobiltelefon liegt. Ich greife es mit meinem gesunden Arm und schaue auf das Display. Es zeigt eine mir unbekannte Nummer an. Ich lächle. Hoffnung keimt in mir auf. Muss ich meinen Rachefeldzug doch nicht alleine angehen? Ich beklage nicht zwingend meine Einsamkeit. Es ist nur so, ich könnte Hilfe bei diesem speziellen Anliegen echt gebrauchen. Der Gegner ist mächtig, und ich bin noch schwach. Und vielleicht will ein kleiner verschämter Teil von mir auch nur Hanna wiedersehen. Ich betätige den grünen Hörer des Telefons und melde mich abgeklärt: »Ja? Storm.«
» Andreas?«, fragt eine mittlerweile vertraute Stimme. Es ist Hanna.
Mein Herz vollführt mehrere Freudensprünge. »Ja, ich bin‘s«, bestätige ich nüchtern. Sie soll mir meine Begeisterung nicht anmerken. Das wäre mir peinlich und würde meine Integrität in Frage stellen. »Wie hast du dich entschieden?«, füge ich ruhig an, als gäbe es nichts Unwichtigeres auf der Welt.
» Bin dabei«, erwidert sie knapp. »Lassen wir die Schweine hochgehen!«
» Sehr gut! Ich wusste, dass du die richtige Wahl treffen würdest. Zwei Waffen treffen mehr als eine.«
» Wenn du meinst!« Ihre Stimme klingt ungewöhnlich gedämpft. Sie wirkt unglücklich. Bestimmt hat sie intensiv mit ihrem Gewissen gerungen. Immerhin ging es bei ihrer Entscheidung darum, sich mit dem Mörder ihrer Mutter zu verbrüdern oder nicht. Viele hätten in ihrer Situation einen anderen Pfad eingeschlagen. Doch sie hat aus ihrer Sicht das kleinere Übel gewählt. Das sagt einiges über die Intensität ihres Hasses gegenüber der Vita brevis aus. Sie hasst diese Leute nicht einfach nur, sie verabscheut sie aus tiefstem Herzen. In diesem Punkt stimmen unsere Beweggründe schon mal überein.
Nach einer kurzen peinlichen Pause nehme ich das Gespräch wieder auf. »Bevor wir loslegen, möchte ich noch etwas klären.«
» Das wäre?«, fragt sie desinteressiert.
» Unser Umgang miteinander muss sich ändern. Wir werden ein paar Tage Seite an Seite verbringen müssen, vielleicht sogar Wochen. Und in dieser Zeit möchte ich nicht ständig deine Verachtung mir gegenüber spüren. Ich weiß, was ich getan habe, und kann es nicht rückgängig machen. Versuche deine
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