Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Gespräch. Sie lässt mich wie einen treudoofen Hund mit dem langgezogen en Schlusston am Telefon zurück.
Ich klappe mein Handy zusammen und lege es neben mir auf das Bett. Auch wenn Hanna mich nicht unbedingt wie einen Freund behandelt hat, fühle ich mich trotzdem für einen klitzekleinen Moment mal nicht allein auf der Welt. Und das tut verdammt gut. Ich habe vor Monaten in einem Magazin gelesen, dass der Mensch nicht für die Einsamkeit bestimmt ist. Er würde abstumpfen und irgendwann in der Isolation durchdrehen. Die Zeitschrift hat nicht gelogen. Ich habe mir Gesellschaft in all den Jahren als Auftragskiller immer gekauft, aber diese Zweisamkeit war nicht echt. Ich habe die Leute für ihre verschiedenen Dienstleistungen bezahlt. Sie haben nur ihren Job erledigt und mir etwas vorgespielt. Ich war für sie nur ein Kunde, der ihnen ihr Gehalt aufbesserte, und kein Freund. Und andersherum waren sie für mich nur Zeitvertreib und keine Anvertrauten. Hanna war anfangs für mich auch nichts anderes als ein neuer Scheck, den ich bald einlösen würde. Doch bei unserer frischen Beziehung hat sich etwas verändert. Wenn ich an sie denke, lese ich das Wort ‚Freundschaft‘ in meinem Kopf. Ein Begriff, der in meinem Wortschatz fast ausradiert wurde. Den letzten echten Freund hatte ich in der zehnten Klasse. Seitdem irre ich als einsamer Wanderer über die Welt; ich war immer zufrieden damit. Doch mittlerweile genügt mir das nicht mehr. Das warme Gefühl der Freundschaft hat die Gier nach Zuneigung in mir geweckt. Ich könnte nicht mal behaupten, dass ich Hanna als Frau begehre. Ich wertschätze sie jedoch als starke Persönlichkeit. Vielleicht beneide ich sie mit ihrem unbeugsamen Willen sogar ein bisschen. Wer weiß, ich bin kein studierter Psychologe. Ich weiß nur, dass ich sie regelmäßig um mich haben will. Ist das nicht lächerlich?
Neben mir hupt mein Handy zweimal auf und verkündet mir die Ankunft von Hannas SMS. Sie hat ihr Wort gehalten. Ich werde dem Mädchen morgen wieder gegenüberstehen und sehe dem Treffen sehnsüchtig entgegen, auch wenn es mich in Teufels Küche bringen mag.
Kapitel 6 – Der Pfad in die Hölle
Obwohl der Tag wieder einmal zeitig beginnt und meine müden Glieder bei jeder Bewegung knacken, bin ich freudig erregt wie ein Kind am Weihnachtsmorgen. Ich stehe unter Starkstrom. Die Elektrizität ist greifbar. Ich weiß, dass ich an etwas Großem dran bin und die Macht habe, die Welt wenigstens ein kleines Stück zu verbessern. Alles, was ich dafür tun muss, ist mit meiner gewohnten Professionalität ans Werk zu gehen. Diesmal weiß ich, dass ich bei der Arbeit ausnahmsweise auf der richtigen Seite stehe. Ich riskiere mein Leben zwar unentgeltlich, aber das stimmt mich nicht ansatzweise unzufrieden. In meiner Brust gedeiht ein ganz besonders Gefühl. Ich kenne es aus meinen Anfangstagen als Profikiller. Ich fühle Stolz, wahrhaftigen Stolz. Es ist ein Gefühl, von dem ich nicht mehr wusste, dass ich es noch empfinden kann.
Ich stelle den Ford in einer Seitenstraße ab und spaziere von dort aus zu dem Bistro, in dem mich Hanna treffen möchte. Mein Handydisplay zeigt mir an, dass ic h fünf Minuten zu früh vor Ort bin. Die Pünktlichkeit eines Soldaten. Mir fällt mein alter Spieß wieder ein, der meiner Truppe diesen Leitsatz am ersten Tag unserer Grundausbildung eingetrichtert hat. Schon seltsam, an welche unbedeutenden Details seines Lebens man sich manchmal noch erinnern kann. Dagegen entfallen einem andere Ereignisse gleich einen Tag nachdem man sie erlebt hat. Verrückte Maschine ‚Mensch‘!
Ich erreiche das Bistro und mustere den Laden gründlich von außen. Die bessere Imbissstube hat sich in der unteren Etage eines Mietshauses eingenistet. Darüber wohnen Menschen übereinandergestapelt in fünf Etagen. Vor dem Laden stehen sechs einfache weiße Plastiktische mit jeweils vier dazu passenden Stühlen. Freiluftsitze für die letzten Sonnenstunden des Altweibersommers. Eisenketten schützen die Möbel vor Diebstahl. Ich schätze, dass die Ketten teurer waren als alle Gartenmöbel zusammen. Über der gläsernen Fassade schillert in roten Buchstaben der Schriftzug ‚Pauls Bistro‘. Darunter steht noch etwas kleiner ‚Frühstück, Brunch, Kaffee und Eisspezialitäten‘. Offen hat der Laden wochentags von sieben bis siebzehn Uhr. Durch das Schaufenster erkenne ich das zweckdienliche Inventar. Links von dem Verkaufsbereich, in dem vorwiegend Backwaren angepriesen
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