Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Fotos festhalten, wie sie kleine Kinder dort hineinschleppen, aber ich bin mir sicher, dass sie unter anderem in diesem kakerlakenverseuchten Etablissement vergewaltigt werden. Beim dem Gedanken daran quillt mir jedes Mal die Galle über.
Menschenhandel ist meiner Einschätzung nach die Haupteinnahmequelle der Vita brevis. Es ist ein verdammt lukratives Geschäft. Umso mehr wundert es mich, dass die Organisation auch im Drogenhandel ihre Finger mit im Spiel hat. Müssen sie diesen umkämpften Acker wirklich noch bestellen? Vielleicht gehört es auch zu ihren erweiterten Dienstleistungen, Kunden mit Drogen zu beliefern, oder sie betäuben die Kinder mit den Rauschgiften vor dem Sex. Möglicherweise kriegt der machthungrige Verein auch einfach den Hals nicht voll. Warum soll man sich mit zehn Millionen Euro zufriedengeben, wenn man auch das Doppelte haben kann?
Ich habe leider noch keinen konkreten Überblick darüber, wie viele Menschen von den Machenschaften der Vita brevis wirklich profitieren. Wer streicht die großen Gewinne ein? Wer wird richtig reich von dem schmutzigen Geschäft? Wer steht am Ende der Nahrungskette? Typen wie Kingston sicherlich nicht. Er ist höchstens Unteroffizier der kriminellen Armee und koordiniert das Tagesgeschäft auf der Straße. Seine Wohnung ist nicht mehr als ein Loch und an seinen billigen Klamotten aus dem Discounter erkennt man, dass er nicht in Geldscheinen badet. Könnte es sein, dass der Kerl selbst nicht weiß, für wen er da eigentlich arbeitet? Hätte er nicht schon längst ein größeres Stück vom Kuchen eingefordert? Oder hat er selber Angst vor den großen Tieren der Organisation? Mit Unruhestiftern werden sie nicht gerade zimperlich umspringen. Ich brauche Antworten auf meine Fragen. Deswegen kann es nicht schaden, wenn ein Spezialeinsatzkommando mal seine Wohnung durchsucht. Anschließend werde ich mich in aller Ruhe mit George unterhalten. Ich werde schon herausbekommen, was der Kerl weiß und was nicht.
Damit endet Pias Notiz. Ich schaue ihre Tochter mit großen Augen an. Mir drängt sich eine Frage auf, die ich Hanna sogleich stelle. »Was wurde aus Kingston?«
» Ein wohlhabender Mann«, grinst Hanna höhnisch.
» Das wollte ich nicht wissen. Was geschah nach …«
» Schon gut!«, unterbricht sie mich. »Ich weiß, worauf du hinauswillst. Die Wohnung von Kingston wurde eine Woche, nachdem dieser Bericht entstanden ist, hochgenommen. Die Beamten fanden überraschenderweise keine belastenden Indizien in der Bude. Im Verhör hat er sich nicht ein einziges Mal verplappert. Zur Vita brevis fiel ihm natürlich nichts ein.« Hanna seufzt. »Ich habe dir den nachfolgenden Bericht nicht mitgebracht, weil meine Mutter hauptsächlich Schimpfworte darin benutzt hat. Sie fluchte auf Kingston, die Vita brevis und ihre eigene Abteilung, die ihrer Meinung nach zu schlampig bei der Beweisaufnahme gearbeitet hatte.«
» Und jetzt geht es ihm richtig gut?«, schließe ich bei Hannas vorheriger Aussage an.
» Ja, seine Verschwiegenheit wurde offenbar mit einer Beförderung belohnt. Er wohnt aktuell in einem noblen Appartement in Friedrichshain. Ich habe es mir von außen schon angeschaut. Der Kerl hat Stil. Das muss man ihm lassen.«
Ich kaue angespannt auf einem Fingernagel herum und nuschle: »Ist ein hohes Tier geworden und unsere beste Verbindung zur Vita brevis. Oder kennst du noch andere Mitglieder mit Namen und Adresse?«
Sie schüttelt den Kopf. »Höchstens kleine Fische. Von den Leuten, die Mama ausfindig gemacht hat, scheint er es am weitesten gebracht zu haben. Er kennt bestimmt die Chefetage; wenn deine Anschuldigung stimmt, muss er auch von meinem Opa gehört haben.« Bei den letzten Worten versagt ihr fast die Stimme. Sie liebt ihren Großvater und will ihn nicht in ein schlechtes Licht rücken.
» Du wirst sehen, er kennt ihn«, beharre ich gebieterisch auf meiner Meinung.
Hanna deutet ein Achselzucken an und sieht an mir vorbei in die unendliche Leere ihre r Seele. Wie viele Schicksalsschläge kann das Mädchen noch verkraften, bevor sie daran zerbricht?
Ich trinke meinen mittlerweile lauwarmen Kaffee in einem Zug aus. Danach katapultiere ich Hanna mit einer einfachen Frage aus ihren düsteren Gedanken gängen. Ihren Milchkaffee hat sie kaum angerührt. »Wie sieht er genau aus?«
» Wie?« Hanna wirkt ertappt wie ein kleines Schulkind. Sie wurde von der Lehrerin beim Träumen erwischt. Sie hat vollkommen den Anschluss
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