Storm: Thriller (German Edition)
anders. Angesichts des aktuellen Heckenschützenfalls würden die Verantwortlichen der Metro Police alles, was auch nur annähernd nach Zündstoff roch, mit Samthandschuhen anfassen. Sie würden diesen Fall noch am Vormittag in die Hände des Dezernats für Kapitalverbrechen legen.
Das war vermutlich auch der Grund für Johns Anruf gewesen. Falls der Fall in meiner Abteilung landen sollte, konnte ich sagen, dass ich bereits als Berater hinzugezogen worden war, konnte um die Leitung der Ermittlungen bitten und anschließend Sampson sämtliche Aufgaben übertragen. Das war unsere Version von kreativer Buchführung, und es wäre weiß Gott nicht das erste Mal gewesen.
57
Der Zahlenkiller … Großer Gott … nicht jetzt.
Die Straßen rund um den Franklin Square waren bereits abgesperrt. Zusätzliche Streifenwagen standen auf der K-Street und der I-Street, an den längeren Seiten des rechteckigen Parkgeländes, obwohl der eigentliche Ort des Geschehens sich in der Nähe der Thirteenth Street zu befinden schien. Dort jedenfalls sah ich Sampson stehen.
»Süßer«, sagte er, als ich bei ihm war, »du rettest mir das Leben. Ich weiß, dass es eine beschissene Uhrzeit ist.«
»Dann sehen wir uns das Ganze mal an.«
Zwei Kriminaltechniker mit blauen Windjacken machten innerhalb des abgesperrten Bereichs ihre Arbeit, zusammen mit einem Gerichtsmediziner, den ich auch von hinten sofort erkannte.
Porter Hennings inoffizieller Spitzname lautet »Portly«, was so viel bedeutet wie »stattlich«, und was den Umfang angeht, wirkt Sampson, der »Mann wie ein Berg«, neben ihm beinahe zierlich. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie Porter es schafft, sich in einige weniger geräumige Tatorte zu zwängen, aber gleichzeitig ist er einer der vernünftigsten Gerichtsmediziner, mit denen ich je zusammengearbeitet habe.
»Alex Cross. Welche Ehre«, sagte er, als ich näher kam.
»Ich kann gar nichts dafür. Der da ist schuld.« Ich deutete mit dem Daumen auf Sampson, doch dann sah ich das Opfer und blieb wie angewurzelt stehen.
Die Leute sagen immer, dass gerade die extremen Fälle meine Spezialität seien, und in gewisser Weise haben sie auch recht, aber an den Anblick einer verstümmelten Leiche gewöhnt man sich nie. Das Opfer war auf dem Rücken liegend in einem Busch zurückgelassen worden. Die zahlreichen, schmutzigen Kleiderschichten zeigten, dass es sich um einen Obdachlosen handelte. Vielleicht hatte er sogar hier im Park übernachtet. Aber das Auffallendste waren nicht die unübersehbaren Spuren zahlreicher, schwerer Schläge, sondern die Zahlenreihe, die in seine Stirn geritzt worden war. Genau wie bei dem vorangegangenen Mord. Es war fast zu bizarr, um wahr zu sein.
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»Sind das die gleichen Zahlen wie beim letzten Mal?«, erkundigte ich mich.
»So ähnlich«, entgegnete Sampson.
»Und wir wissen nicht, wie das Opfer heißt?«
John schüttelte den Kopf. »Ich habe schon ein paar Leute losgeschickt, die sich erkundigen sollen, aber die, die hier auf irgendeiner Parkbank gelegen haben, haben sich in der Regel verdrückt, sobald wir aufgetaucht sind. Ist ja nicht so, dass uns hier überall fröhliches Vertrauen entgegenlacht, das ist dir doch klar, oder?«
Na klar, na klar. Das war einer der Gründe, weshalb ein Mord an einem Obdachlosen so schwer aufzuklären war.
»Dann gibt es da noch die Unterkunft ein paar Querstraßen weiter in der Dreizehnten«, fuhr John fort. »Da gehe ich gleich anschließend hin. Vielleicht erfahre ich ja dort etwas über den Mann.«
Der Tatort selbst war schwer zu deuten. Frische Fußspuren in der Erde, von flachen, glatten Schuhen, also weder Stiefel noch Turnschuhe. Dazu so etwas wie eine schmale Räderspur, vielleicht von einem Einkaufswagen, aber das musste mit der Tat gar nichts zu tun haben. Hier kamen ständig irgendwelche Obdachlosen vorbei, Tag für Tag. Und Nacht für Nacht.
»Was noch?«, wollte ich wissen. »Porter? Hast du schon was rausgekriegt?«
»Ja, hab ich. Dass ich nämlich auch nicht jünger werde, das hab ich rausgekriegt. Aber davon mal abgesehen würde ich sagen, die Todesursache war ein Spannungspneumothorax. Obwohl ihn die ersten Schläge wahrscheinlich hier, hier und hier getroffen haben dürften.«
Er deutete auf die zerschmetterte Schläfe des Toten. Rosafarbene Flüssigkeit war in sein Ohr gelaufen. »Schädelbasisbruch, Kieferbruch, Jochbeinbruch, das ganze Programm. Wenn es überhaupt etwas Positives zu sagen gibt, dann, dass der arme
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