Storm: Thriller (German Edition)
Angst zu haben.
»Sie haben unsere Besprechung belauscht? Mein Gott, Max, warum denn bloß?«
»Das ist die erste gute Frage, die Sie mir stellen«, sagte er. »Wie viel Zeit haben Sie für die Antwort?« Doch bevor sie etwas erwidern konnte, legte er ihr die Hand auf die Lippen. »Warten Sie, ich verrate es Ihnen. Sie haben überhaupt keine Zeit.«
Der Eispickel, sein alter Favorit, steckte schon in Patels Luftröhre, bevor sie anfangen konnte zu schreien. Sie versuchte es trotzdem und riss stumm den Mund auf.
Jetzt war er über ihr, bedeckte ihre Lippen mit seinen, ihre Nase mit seiner Hand – buchstäblich ein Kuss des Todes, aber für jeden zufälligen Beobachter nichts weiter als ein normaler Kuss zweier Liebender in einem Auto. Ihre Kraft, ihr Lebenswille waren nichts im Vergleich zu seiner Kraft, zu seinem Willen. Sogar der Blutverlust war minimal – Patel war zu höflich gewesen, um sich zu erkundigen, was denn die Plastikfolien auf den Sitzen zu bedeuten hatten.
Oder der Regenmantel, den Max Siegel an einem trockenen Abend wie diesem trug.
Dann rührte sie sich nicht mehr, und seine Erregung wurde noch größer. Am liebsten wäre er mit ihr zusammen auf den Rücksitz geklettert, solange ihre Lippen noch warm waren und ihr Bauch sich so zart und weich anfühlte. Er wollte in sie eindringen, jetzt auf der Stelle. Verdammt noch mal, sie gehörte ihm.
Aber das wäre ein törichtes Risiko gewesen, und ein unnötiges dazu. Er hatte schon vor Stunden beschlossen, dass der heutige Abend eine Ausnahme bilden sollte, dass er von den sonst üblichen Regeln abweichen würde. Das hatte er sich schließlich verdient. Außerdem war er derjenige, der die Spielregeln machte und der sie verändern konnte. Um ehrlich zu sein, es würde in nächster Zeit noch viele, viele Änderungen geben.
Aber zuerst würde Anjali Patel ihn nach Hause begleiten – auf einen Übernachtungsbesuch.
Drittes Buch
----
MANNIGFALTIGKEIT
56
Sampson wusste, dass ich normalerweise um fünf Uhr oder noch früher wach war, aber heute hätte das auch nichts geändert. Die Straßengeräusche im Hintergrund und die Anspannung in seiner Stimme machten deutlich, dass er bereits bei der Arbeit war.
»Du musst mir einen Gefallen tun, Alex. Einen großen sogar.«
Automatisch begann ich, meine Frühstückseier ein bisschen schneller zu verschlingen, während Nana mich mit ihrem bösen Blick fixierte. Wenn bei uns früh am Morgen oder spät in der Nacht das Telefon klingelte, dann war das nie ein gutes Zeichen.
»Sprich weiter«, sagte ich. »Ich höre. Und Nana schaut mir dabei zu. Ich weiß nicht, ob ihr Hitzeblick für mich oder für dich oder für uns beide gedacht ist.«
»Oh, für euch beide natürlich«, sagte Nana mit leiser Stimme, die leicht als Knurren hätte missverstanden werden können.
»Ein Mord am Franklin Square. Unbekanntes Opfer. Erinnert stark an diesen anderen, irren Mord, den ich neulich gehabt habe, drüben am Washington Circle.«
Meine Gabel verharrte mitten in der Luft. » Der mit den Zahlen? «
»Genau der. Meinst du, du kannst mal kurz vorbeikommen und mich beraten, bevor es hier zu heiß wird?«
»Bin schon unterwegs.«
John und ich führen keine Liste darüber, wer wem wie viele Gefallen schuldet. Unser ungeschriebenes Gesetz lautet: Wenn du mich brauchst, dann bin ich da. Aber sei dir gefälligst sicher, dass du mich auch wirklich brauchst.
Ein paar Minuten später ging ich die Hintertreppe hinunter zur Garage und band mir dabei eine Krawatte um. Es war noch fast dunkel draußen, aber hell genug, um zu erkennen, dass der Himmel von einer undurchdringlichen grauen Masse bedeckt war – bewölkt mit berechtigten Aussichten auf Sturm, Hagel und Gewitter.
Nach allem, was ich über Sampsons Fall wusste, war er genau das, was die Ermittler des Metropolitan Police Departments im Augenblick gar nicht gebrauchen konnten.
Vor Monaten hatte man einen jungen Obdachlosen aufgefunden, totgeprügelt und mit einer sorgfältig in die Haut geritzten Zahlenreihe auf der Stirn. Wahrscheinlich hätte der Fall sämtliche Schlagzeilen innerhalb des Autobahnrings erobert – wäre der Mann nicht ein namenloser Junkie gewesen. Nicht einmal bei der Mordkommission hatte der Fall großes Interesse ausgelöst, was sicherlich nicht gerade fair war, aber in puncto »Fairness« konnte man in unserer Hauptstadt eigentlich sowieso nur verzweifeln.
Jetzt war es also wieder passiert. Und dieses Mal waren die Voraussetzungen vollkommen
Weitere Kostenlose Bücher