Storm: Thriller (German Edition)
sie die Meldung im Radio gefunden hatten. Der Heckenschütze, der »DC-Patriot«, hatte wieder zugeschlagen. Ein namentlich nicht genannter Polizeibeamter war aus großer Entfernung erschossen worden, auf der anderen Seite des Potomac, im Stadtgebiet von Washington, D. C.
Und natürlich, als sie über die Roosevelt Bridge ins Zentrum fuhren, sahen sie jede Menge Streifenwagen am Rand des Rock Creek Parkway zu ihrer Linken stehen. Denny stieß einen Jubelschrei aus. »Da, schau dir mal die Schweineversammlung an! Kommt mir fast vor, als wär jetzt schon Weihnachten.«
»Was redest du denn da, Denny?« Mitch wirkte immer noch ein bisschen angeschlagen durch die Straßensperre.
»Der tote Polizist, Mann. Hast du denn gar nicht zugehört? Jetzt passiert genau das, was wir immer gehofft haben. Wir haben uns einen gottverdammten Trittbrettfahrer geangelt!«
62
Nelson Tambour war kurz vor Einbruch der Abenddämmerung erschossen worden, und zwar auf einem Grasstreifen zwischen dem Rock Creek Parkway und dem Flussufer. Als ich vor Ort eintraf, war der Highway bereits von der K-Street bis zum Kennedy Center gesperrt. Ich fuhr so dicht wie möglich heran und ging dann zu Fuß weiter.
Tambour war Detective bei der Narcotics and Special Division – NSID – gewesen, also bei der Rauschgiftfahndung. Ich hatte ihn nicht persönlich gekannt, aber das machte es auch nicht besser. Das Metropolitan Police Department hatte gerade einen seiner Mitarbeiter verloren, und zwar auf grässliche Art und Weise. Detective Tambour war mit halb aufgerissenem Schädel aufgefunden worden, nachdem ein großkalibriges Geschoss seinen Kopf durchschlagen hatte.
Es war mittlerweile dunkel geworden, aber der Schauplatz des Verbrechens war mithilfe mehrerer leistungsstarker Scheinwerfer hell erleuchtet wie ein Fußballstadion. An der Seite waren zwei Zelte errichtet worden. Eines diente als Kommandozentrale, im anderen wurden die verschiedenen Beweismittel gesammelt, zum Schutz vor lästigen Kamerahubschraubern.
Auch die Wasserpolizei war unterwegs und sorgte dafür, dass keine Ausflugsboote in die Nähe des Ufers gelangen konnten. Und überall Angehörige des Führungsstabs.
Als ich Chief Perkins sah, winkte er mich zu sich. Er stand etwas abseits, zusammen mit den stellvertretenden Leitern der NSID, der Kriminalpolizei und einer Frau, die ich nicht kannte.
»Alex, darf ich vorstellen: Penny Ziegler von der Internen Ermittlung«, sagte er, und das Ziehen in meinen Eingeweiden wurde augenblicklich sehr viel stärker. Was hatte die Interne Ermittlung hier zu suchen?
»Gibt es irgendwas, das ich wissen müsste?«, sagte ich.
»In der Tat«, sagte Ziegler. Ihre Miene war genauso angespannt wie unsere. Das haben Polizistenmorde in der Regel so an sich: Sie sorgen für jede Menge Nervosität.
»Detective Tambour war seit einem Monat vom Dienst suspendiert«, sagte sie. »Wir wollten noch im Lauf dieser Woche Anzeige gegen ihn erstatten.«
»Weswegen?«, wollte ich wissen.
Sie wartete Perkins’ Kopfnicken ab, dann fuhr sie fort: »Im Verlauf der letzten zwei Jahre war Tambour Leiter einer verdeckten Operation in den drei großen Sozialbausiedlungen in Anacostia. Dabei hat er die Hälfte aller beschlagnahmten Drogen für sich selbst abgezweigt, überwiegend PCP, Koks und Ecstasy. Dann hat er sie über ein Straßenhändler-Netzwerk in Maryland und Virginia abgesetzt.«
»Könnte sein, dass er wegen einer Übergabe hier war«, fügte Perkins hinzu und schüttelte den Kopf. »Man hat in seinem Kofferraum ein Kilo Koks gefunden.«
Drei Worte jagten mir durch den Kopf: Füchse im Hühnerstall .
Mit einem Mal passte Tambour sehr viel besser zum Opferprofil der Heckenschützen als noch vor einer Minute.
Aber gleichzeitig war er für die große Öffentlichkeit ein Unbekannter. Im Gegensatz zu den anderen war er nicht in den Schlagzeilen gewesen, zumindest noch nicht, und das war ein Unterschied.
Einer von Bedeutung? Ich war mir nicht sicher, aber das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht richtig zusammenpasste, wurde ich einfach nicht los.
»Ich finde, wir sollten aus ermittlungstaktischen Gründen für diesen Fall eine totale Funkstille anordnen«, sagte ich zu Perkins. »Der Attentäter besitzt ganz offensichtlich irgendwelches Insiderwissen.«
»Einverstanden«, sagte er. »Und … Alex?« Perkins legte mir die Hand auf den Arm, nachdem ich mich schon zum Gehen gewandt hatte. Er wirkte angestrengt. Vielleicht sogar ein klein wenig verzweifelt.
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