Storm: Thriller (German Edition)
»Weiß, männlich, mittleres Alter. Könnte ein Obdachloser sein.«
»Vorsichtig weitermachen«, funkte Ogilvy zurück. Wir hatten allen gesagt, womit sie hier rechnen mussten. »Erst wird alles sehr gründlich abgesucht, bevor irgendjemand den Leichnam anfasst. Team B, für euch gilt höchste Alarmbereitschaft.«
Drei Minuten später wurde die Stille durch ein »Alles gesichert« unterbrochen – was immer das unter den gegebenen Umständen zu bedeuten hatte. Als ich die Tür des Cafés aufmachen wollte, legte Sampson mir die Hand auf den Arm.
»Lass mich das machen, Alex. Falls Kyle hier in der Gegend ist, dann wartet er vielleicht genau auf dich.«
»Auf keinen Fall«, erwiderte ich. »Und außerdem, falls Kyle je vorhaben sollte, sich mir zu stellen, dann mit Sicherheit von Angesicht zu Angesicht und nicht aus der Distanz.«
»Ach, etwa, weil du alles weißt, was es über diesen Irren zu wissen gibt?«
»Jedenfalls genug«, entgegnete ich und ging hinaus.
Noch bevor wir vor der Leiche standen, erkannte ich Stanislaw Wajdas schmutzige Jacke. Er lag auf der Seite, unter einem Gestrüpp, genau wie seine Opfer zuvor.
Haut-Ritzereien waren nicht zu sehen. Die einzige sichtbare Verletzung war eine einzelne Stichwunde am Hals, ähnlich wie die bei Anjali Patel.
Sein Hals war von einer festen Schicht aus geronnenem Blut überzogen, die sich bis unter sein Hemd fortsetzte. Höchstwahrscheinlich hatte er aufrecht gesessen, als er erstochen worden war.
Den Einkaufswagen und den Vorschlaghammer vom Farragut Square hatten wir bereits nach Fingerabdrücken untersucht, und es konnte keinen Zweifel mehr geben, dass Wajda unser Zahlenkiller war. Aber trotz allem, was er getan hatte, empfand ich jetzt großes Mitleid mit ihm.
»Was ist denn das?« Sampson deutete auf etwas in Wajdas Hand. Ich streifte ein Paar Handschuhe über und ging in die Knie, um es, was immer es sein mochte, seinen verkrampften Fingern zu entwenden.
Es war eine kleine Grußkarte, wie sie normalerweise zusammen mit einem Blumenstrauß verschickt wird. Auf dieser hier war eine Hochzeitstorte abgebildet, mit einem afroamerikanischen Brautpaar auf der Spitze.
»Das ist mein Verlobungsgeschenk«, sagte ich. Ich spürte eine leichte Übelkeit.
Als ich die Karte aufklappte, erkannte ich die präzisen Druckbuchstaben sofort: Das war Kyles Handschrift.
FÜR ALEX:
GERN GESCHEHEN.
K. C.
95
Nachdem er sich fünf Tage lang mit Mitch zusammen in Virginia verkrochen hatte, kam endlich der Anruf, auf den Denny gewartet hatte. Dann brauchte es noch einmal ein paar Tage, bis sie in D. C. alles ausgekundschaftet hatten, aber jetzt waren sie startklar. Es dauerte nicht mehr lange, nur noch eine kleine Weile, dann war er ein freier Mann. Ein steinreicher freier Mann.
Als sie auf das Dach des National Building Museum traten, knallte die Tür hinter ihm gegen die Wand.
Er drehte sich um, und Mitch hob entschuldigend die Hand.
»Mein Fehler«, sagte er.
»Mach das Scheißding einfach zu und komm«, sagte Denny schärfer, als er eigentlich gewollt hatte. Nicht, dass der Lärm irgendwie schlimm gewesen wäre. Das Museum war schon geschlossen, und die nächstgelegene Bedrohung war der Faulenzer, der unten im Erdgeschoss am Überwachungstresen saß und sich auf seinem Laptop irgendwelche Horrorfilme anschaute. Es war eher die Tatsache, dass er einen Tag zu viel Ellbogen an Ellbogen mit Mitch zugebracht, von Dosenfutter gelebt und seinem ständigen Gejaule über die »Mission« zugehört hatte.
Er schüttelte sich und trat an die Südwestecke des Dachs, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Auf der F-Street herrschte für einen Freitagabend nur wenig Verkehr. Eine leichte Brise kündigte Regen an, aber bis jetzt war alles ruhig. Es würde vielleicht noch fünfzehn, zwanzig Minuten dauern, bis die ersten Limousinen vor der Sidney Harman Hall vorfuhren.
Mitch stellte sich neben Denny und sah schweigend zu, wie er die Plane ausrollte. Dann packte er seine Sachen aus und begann, die M110 zusammenzubauen.
»Bist du sauer auf mich, Denny?«, fragte er schließlich. »Stimmt irgendwas nich?«
»Nee, Mann«, erwiderte Denny augenblicklich. Es hatte keinen Sinn, ihn heute Abend nervös zu machen. Besonders nicht heute Abend. »Du machst alles ganz prima. Ich will es nur hinter mich bringen, weißt du? Bin eben ein bisschen überreizt. Mein Fehler.«
Das schien ihm zu reichen. Nach einem kurzen Nicken wandte er sich wieder seiner Aufgabe zu. Er klappte das
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