Storm: Thriller (German Edition)
»Jetzt.«
Die Richter am Obersten Gerichtshof hatten sich zurück zum Auto gewandt. Seine Hand lag bereits am Türgriff.
»Mach schon, Mitch.«
»Hab ihn«, sagte Mitch, und es erklang noch ein scharfes Plopp.
Dieses Mal wurde Ponti getroffen, und auf dem gesamten Straßenzug brach das nackte Chaos aus.
97
Denny beobachtete, was sich auf der Straße abspielte, während Mitch seine Sachen einpackte. Es hatte angefangen zu regnen, aber das hielt Hunderte Menschen in ausgesprochen feiner Abendgarderobe nicht davon ab, wie die Kakerlaken die Straße auf und ab zu laufen.
»Was ist denn da los, Denny?« Mitch hatte die Zielvorrichtung, den Schaft und das Magazin bereits weggepackt.
Denny winkte ihn zu sich. »Komm her. Das musst du dir anschauen. Ist echt verblüffend, was du geschafft hast.«
Mitch wirkte hin- und hergerissen, aber als Denny noch einmal winkte, setzte er die Ausrüstung ab und kam geduckt zum Mauersims zurück. Von dort betrachtete er sich sein Werk.
Die Harman sah aus wie ein Irrenhaus mit verglaster Vorderfront. Streifenwagen mit Blaulicht fuhren bereits durch die Straße, und die einzigen Menschen dort unten, die nicht in Bewegung waren, das waren die beiden Toten auf dem Gehweg.
»Weißt du, wie man so was nennt?«, sagte Denny. »So was nennt man ›Mission erfüllt‹. Hätte gar nicht besser laufen können.«
Mitch schüttelte den Kopf. »Ich hab Scheiße gebaut, Denny. Der zweite Schuss …«
»Hat keine Bedeutung mehr. Schau dir das da noch eine Minute lang an und genieß es. Ich packe die restlichen Sachen zusammen.«
Denny trat zurück und fing an, die Schnallen an Mitchs Rucksack zu schließen, während Mitch wie gebannt nach unten sah.
»Nicht schlecht für einen Abend Arbeit, was, Mitchie?«
»Ja«, erwiderte Mitch halblaut, mehr zu sich selbst. »Voll der Hammer, ehrlich gesagt.«
»Und wer ist der Held dieser Geschichte, Bruder?«
»Das sind wir, Denny.«
»Ganz genau. Echte, amerikanische Helden aus echtem Fleisch und Blut. Das kann dir keiner mehr nehmen, ganz egal, was passiert. Verstanden?«
Dieses Mal gab Mitch nicht einmal mehr eine Antwort, sondern nickte bloß. Es war, als könnte er sich jetzt, nachdem er einmal einen Blick darauf geworfen hatte, gar nicht mehr von der Szenerie losreißen.
Eine Sekunde später war er tot – mit einer Kugel im Kopf.
Vermutlich hörte der arme Kerl nicht einmal mehr den Schuss aus Dennys schallgedämpfter Walther, so schnell war es gegangen. Gut so. Manchmal war es schon ein verflucht scheußliches Geschäft – das Mindeste, was Denny für ihn tun konnte, war, dass er es schnell und professionell hinter sich brachte.
»Tut mir leid, Mitchie. Ließ sich nicht ändern.«
Dann schnappte er sich Mitchs Rucksack, ließ alles andere liegen und steuerte die Treppe an, ohne noch einen einzigen Blick auf das dritte Mordopfer dieses Abends zu werfen.
98
Als die erste Meldung des Schreckens hereinkam, war ich gerade im Daly Building. Dieses Mal kam ich schon wenige Minuten nach den Schüssen zum Tatort. Ich versuchte, das Chaos auf der Straße und jeden Gedanken an die Opfer auszublenden – vorerst – und mich nur auf die eine Frage zu konzentrieren, auf die ich unbedingt eine Antwort brauchte.
Woher waren die Schüsse gekommen? War es denkbar, dass sie dieses Mal einen Fehler begangen hatten?
Von einem Sergeant der Metro Police erfuhr ich, dass Cornelia Summers wohl zuerst getroffen worden war, als sie gerade an George Pontis linker Seite auf dem Weg in die Harman gewesen war. Zwei Richter des Obersten Gerichtshofs – ich konnte es immer noch nicht glauben!
Ich blickte nach links, die F-Street hinunter. Das Jackson Graham wäre eine Möglichkeit gewesen, aber wenn ich der Schütze gewesen wäre, ich hätte mich für das National Building Museum entschieden. Es lag einige Häuserblocks entfernt, und das Flachdach bot viele Möglichkeiten zur Deckung.
»Geben Sie mir drei Streifenbeamte mit«, sagte ich zu dem Sergeant. »Sofort. Ich will da rüber, zum National.«
Minuten später hämmerten wir gegen die Vordertür des Museums. Ein sehr verstört wirkender Wachmann kam herbeigerannt und ließ uns ein. Hier war zwar eigentlich der Federal Protection Service des Heimatschutz-Ministeriums zuständig, aber man hatte mir gesagt, dass es noch eine gute halbe Stunde dauern würde, bis eine von deren Einheiten vor Ort sein konnte.
»Wir müssen aufs Dach«, sagte ich zu dem Wachmann. Auf seinem Namenschild stand DAVID HALE .
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