Stormwalker: Durch das Feuer (German Edition)
werden lasse.«
Damit war das geklärt. Naomi war nett, aber kein Schwächling. Sie würde mitkommen.
Der Tatort war jetzt weniger grauenhaft, nachdem der Gerichtsmediziner die Leiche entfernt hatte und der Regen das Blut fortwusch. Ein einsamer Truthahngeier wanderte herum und schaute nach, ob das Team des Gerichtsmediziners ihm nicht doch etwas übrig gelassen hatte.
Die Leiche war fort, aber der Pesthauch des Todes lag immer noch über der Stelle. Ich war in einem Haushalt aufgewachsen, der sich an Traditionen hielt: Wenn in einem Hogan jemand gestorben war, wurde die Leiche durch die Nordwand gestoßen – das war der Weg zu den Ahnen. Und oft wurde der Hogan aufgegeben. Nicht-Diné verstanden meist nicht, warum, doch ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie viel Schaden der ruhelose Geist eines Toten den Lebenden zufügen konnte.
Ich roch den Gestank der Magie, der über der Stelle hing, und wieder spürte ich die Überraschung des Opfers. Wer immer das gewesen war – er hatte nicht erkannt, wie nah der Tod ihm oder ihr war. Das war tröstlich; er oder sie war zu schnell gestorben, um Angst zu haben. Aber andererseits bedeutete das, dass ich es hier mit etwas zu tun hatte, das schnell, gnadenlos und effizient zuschlagen konnte. Ich betrachtete das leere Land um mich herum und spürte ein Prickeln zwischen meinen Schulterblättern.
»Das ist schrecklich«, sagte Naomi.
Sie besaß keine magischen Kräfte, also sah sie nur die regennassen Gräser und die rote Erde, die zu Schlamm wurde, den tief hängenden grauen Himmel, den Geier und das übrig gebliebene Blut. Ich sah all das und zusätzlich die stinkende Finsternis, die den Ort wie eine zähe Teerkruste bedeckte, und spürte noch den Verwesungsgestank und mächtige Magie.
Die Kopfschmerzen, die ich endlich losgeworden war, pulsierten wieder frisch. Gewittermagie prickelte durch meinen Körper, und ich fühlte, wie sich zur Antwort die Magie der Unteren Welt in mir regte. Sie drängte mich, herauszufinden, wer den Mord begangen hatte, und ihn zu vernichten, zu töten, wie er getötet hatte, nur langsam, damit er bis in jede Nuance spüren konnte, wie diese unbekannte Person gestorben war.
Alles, was ich tun musste, flüsterte die Magie mir zu, war, meine Gewittermagie durch jedes Haus in Magellan zu schicken, das Böse zu suchen und es zu zerstören. Selbst wenn ich dabei jeden einzelnen Ortsbewohner töten musste, würde ich das Böse zur Strecke bringen, nicht wahr?
Ich schloss die Augen und versuchte, die Stimme abzublocken, doch das ließ mich die Aura des Tatortes ohne Hindernis sehen: Sie war kompakt und schwarz mit purpurroten Sprenkeln, wie dickes Blut. Ich riss die Augen wieder auf, denn ich sah lieber den grauen Regen, der mir ins Gesicht strömte. Wasser war Leben. Der Regen würde das Blut abwaschen, die Luft reinigen und der Erde das Leben zurückgeben.
Aber du könntest jeden Menschen dieser Stadt töten, sagte mir die Magie der Unteren Welt. Du weißt, wie. Und niemand könnte dich davon abhalten.
Ich hörte Flügel rauschen. Eine große schwarze Krähe segelte heran, landete nicht weit von dem Geier entfernt auf dem Boden und warf dem größeren Vogel einen missbilligenden Blick zu. Dann drehte sie den Kopf und beäugte mich mit ähnlicher Missbilligung.
»Ich werde es nicht tun«, sagte ich zu ihr. Ich ballte die Hände zu Fäusten, als eine weitere Welle Untere-Welt-Magie mir zeigte, wie ich die Krähe in einen kleinen Federhaufen verwandeln könnte. »Ich versprech’s dir.«
Die Krähe sah mich weiter mit ihren schwarzen Knopfaugen an, dem ruhigen, wachsamen Blick, der mich schon begleitet hatte, seit ich ein Baby war. »Großes Ehrenwort.« Das hatte ich als Kind immer gesagt, wenn meine Großmutter vermutet hatte, dass ich Unfug ausheckte. Normalerweise hatte sie recht gehabt. »Das sind meine Freunde. Ich werde ihnen nichts zuleide tun.«
Entweder glaubte die Krähe mir nicht, oder sie war nur eine Krähe, die sich wunderte, dass ein Mensch mit ihr sprach.
Naomi beobachtete mich besorgt. »Alles okay, Janet?«
Ich kehrte ihr den Rücken zu und ging wieder zur Straße hinauf. »Ich bin hier fertig. Ich muss gehen.«
Naomi holte auf und ging neben mir her. »Hier ist etwas Schreckliches passiert«, sagte sie. »Tut mir leid, dass du es sehen musstest.«
Ich tat ihr leid, der Stormwalker, der darauf spezialisiert war, magische Verbrechen aufzuklären? Naomi war wirklich ein schrecklich lieber Mensch. »Die Wirbel ziehen wie
Weitere Kostenlose Bücher