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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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abzubringen. Auswandern, sie und ihr Typ. Darüber haben wir uns öfter gestritten.«
    »Und das war der Grund, warum sie Linz verlassen hat?«
    »Der Mann hat ihr angeblich versprochen, sich mit ihr zu treffen und dann nach Übersee zu reisen. Wollte sie angeblich zu sich holen, es sei alles vorbereitet. Und das hat sie dann auch durchgezogen. Eines Tages, wir hatten uns gerade wieder gefetzt, sagte sie: ›Ich verschwinde jetzt nach Deutschland. In ein paar Monaten bin ich sowieso volljährig und dann hast du mir überhaupt nichts mehr zu sagen.‹ Womit sie recht hatte. ›Wenn du meinst, du kriegst woanders ein besseres Leben als hier‹, hab ich gesagt, ›dann hau halt ab!‹ Am nächsten Tag stand sie mit Koffer und Tasche vor mir und sagte: ›Servus, ich verschwinde jetzt. Du brauchst nicht nach mir suchen. Ich will von nun an mein eigenes Leben leben. Mit der Vergangenheit hab ich abgeschlossen.‹ Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.«
    »Wussten Sie, dass Eva schwanger war?«
    »Schwanger? Von dem Freund? Das würde zu ihr passen! Aber aufgefallen ist mir bei ihr nichts. Schwanger war sie also.«
    »Hat sie sich nie mehr gemeldet, um ihre restlichen Sachen abzuholen? Zwei Gepäckstücke sind nicht gerade viel zum Auswandern.«
    »Den Rest hat sie dagelassen. Waren auch nur abgetragene Klamotten und anderer Krempel. Hab alles nach einem halben Jahr in den Sperrmüll gegeben. War nichts Wertvolles dabei. Ihre Ersparnisse hatte sie alle mitgenommen. Ich hab ja keine Miete verlangt, wissen Sie, aber ein Abschiedsgeschenk hab ich nicht bekommen, obwohl ich ihre einzige Verwandte war.«
    »Die genaue Adresse, wohin sie im Bayerischen Wald gereist ist, haben Sie nicht zufällig?«
    »Nein, keine Ahnung. Offen gesagt, auch wenn es hart klingt: Ich war froh, als sie weg war. Endlich hatte ich meine Ruhe. Und Eva war alt genug, um selber auf sich aufzupassen. Sie war ein großes Madl.«
    »Und Sie haben nie mehr was von ihr gehört? Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, dass ihr was zugestoßen sein könnte? Haben Sie nie darüber nachgedacht, warum sie sich all die Jahre nicht gemeldet hat? So was ist doch nicht normal.«
    »Was heißt schon normal bei Eva? Sie wollte nichts mehr von mir wissen, und ich wollte nichts mehr von ihr wissen. Sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nichts von mir hält und nur bei mir ist, weil sie eine Wohnung braucht. ›Mach dir keine Gedanken um mich‹, hat sie zum Abschied gesagt, ›ich komm schon klar. Ich will ein neues Leben anfangen.‹ In diesem neuen Leben war für mich kein Platz. Deshalb war es mir so was von bluntzn, was Eva künftig machte. Dass sie ermordet wird, daran hätte ich im Traum nicht gedacht. Außerdem hat sie sich später noch ein Mal bei mir gemeldet, um mir mitzuteilen, dass alles in Ordnung sei.«
    »Eva hat sich bei Ihnen gemeldet?«
    »Sie hat eine Postkarte geschickt. Aus dem Bayerischen Wald. Da war ich beruhigt.«
    Baltasar horchte auf. »Haben Sie die Postkarte noch? Das könnte wichtig für die Ermittlungen sein.«
    »Müsste ich schauen.« Sie stand auf, ging ins Wohnzimmer und kramte in den Schubladen. Mit einer Zigarrenkiste kam sie zurück. »Das ist alles, was ich von Eva aufgehoben hab.«
    In der Kiste waren alte Schulzeugnisse, ein Silberkettchen, Fotos. Josefa Breuer zog eine Postkarte heraus. Auf der Vorderseite war der Große Arber zu sehen, der höchste Berg des Bayerischen Waldes. Auf der Rückseite stand handschriftlich in Druckbuchstaben eine kurze Nachricht an die Adresse Josefa Breuers:
    Bin gut angekommen. Mein Schatz hat mich abgeholt.
    Fahren übermorgen nach München. Dann geht es weiter
    mit dem Flieger nach Kanada. Such nicht nach mir.
    Mir geht es gut, das neue Leben wartet!
    Darunter die krakelige Unterschrift: »Eva«.
    »Darf ich die Karte mitnehmen? Sie erhalten sie später zurück.«
    »Sie können sie behalten. Bin nicht scharf drauf. Hier habe ich noch was für Sie, hab mehrere davon.« Sie legte ein Foto auf den Tisch. Es zeigte ein junges Mädchen mit braunen Haaren, sympathischem Lächeln und einem Grübchen am Kinn. Die Ähnlichkeit mit der Phantomzeichnung war nur gering.
    Und doch wusste Baltasar, er war am Ziel: Zum ersten Mal sah er Eva Helming.
    42
    E s gab Bußgänge im Leben, die machte man quasi nebenbei. Es gab Beichten, die waren mehr ein Geplauder. Und es gab Gespräche, da wünschte man, es gäbe Leben auf einem anderen Planeten, und man könnte sich dorthin beamen wie Captain

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