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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Senner von den Ermittlungsergebnissen. »Damit ist die Anzeige natürlich gegenstandslos. Schönen Tag noch.« Dix schlug nochmals die Akte auf. »Einige Dinge an diesem Fall sind höchst merkwürdig.«
    »Meinen Sie den Leichenfund?«
    »Ich meine die Tatsache, dass die Frau nackt in die Erde gelegt wurde. Wahrscheinlich hat man ihr auch die Haare abgeschnitten. Es fehlen sämtliche persönlichen Gegenstände. Da muss jemand großes Interesse daran gehabt haben, seine Spuren zu verwischen.«
    »Täter machen meistens Fehler. Oft sind es Kleinigkeiten, die sie am Ende überführen.«
    »Tatsache ist: Bis auf eine Tote haben wir nichts Konkretes. Null Komma null. Auf uns kommt verdammt viel Arbeit zu, Mirwald.«
    13
    D ie Cellophantüten lagen in drei Reihen auf dem Esstisch. Daneben mehrere Dosen mit arabischen Schriftzügen. Die Küche war erfüllt von einem Potpourri an Düften, es roch wie auf einem orientalischen Basar. Baltasar wog zwanzig Gramm Hougari-Weihrauch aus dem Oman ab, wofür er eine altmodische Apothekerwaage mit Metallgewichten benutzte, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte. Die Harzperlen rollte er zwischen den Fingern, fühlte und schmeckte und war zufrieden mit seiner Kaufentscheidung. Er hatte gleich ein Kilo importiert, direkt vom Erzeuger.
    Weihrauch war Baltasars geheime Leidenschaft, das Aroma, das schon das Jesuskind und die Heiligen Drei Könige betört hatte, hatte es ihm angetan. Seit Jahrtausenden war dies der Grundstoff der Religionen für Rauchzeremonien, selbst Griechen und Römer huldigten damit ihren Göttern.
    Und mit dem Handel ließ sich sogar die Gemeindekasse aufbessern, da die Spezialmischungen bei Pfarreien in ganz Bayern beliebt waren. Vorausgesetzt, die Geistlichen waren bereit, dafür deutlich mehr zu bezahlen als für gewöhnliche Massenware. Zudem half Weihrauch bei allerhand Wehwehchen, etwa als Seelenelixier, als Antidepressivum oder als Wachmacher müder Männerlenden.
    Baltasar nutzte die Gelegenheit zur Produktion, solange Teresa unterwegs war, ansonsten drohte ein Gewitter, wenn er in der Küche mit seinen »Schmutzbröseln« hantierte, wie sie es nannte. Er zerstieß Kardamom, Sandelholz und Benzoe Siam in einem Mörser, mischte Kiefernnadeln dazu und rührte um. Zu dieser Basis gab er den Weihrauch. Was seine Mischungen jedoch einzigartig machte, war eine Zutat, die er mit einem Löffelchen einzeln über die Portionen verteilte und die er getrennt von den anderen Utensilien in einem Versteck aufbewahrte.
    Er schnupperte die würzigen und verführerischen Aromen und konnte nicht länger widerstehen. Er musste eine Prise probieren, wenigstens eine kleine. Er brachte eine Kohletablette zum Glühen und legte die Mischung darauf. Nach einer Weile stieg Rauch auf. Baltasar inhalierte den Rauch, ließ ihn in die Lunge dringen und spürte, wie sich die Wirkstoffe in seinem Körper ausbreiteten. Eine Sekunde dachte er daran, wie absurd es eigentlich war, dass er als Nichtraucher solche Dämpfe einatmete, doch dann verging der Moment, und er sah die Räucherschale vor sich stehen, fuhr die Muster entlang und glaubte, mit seinen Fingern die Essenz des Materials zu erfühlen. Eine Melodie kam ihm in den Sinn, White Rabbit von Jefferson Airplane. Baltasar sang von einer Pille, die dich kleiner macht, und einer Pille, die dich größer macht. Nur die Orgelbegleitung fehlte ihm, das Schlagzeug und die Bassgitarre. Aber das machte ihm nichts aus, er hatte den Song im Kopf, das war alles, was zählte.
    Eh er sich versah, hatte er die Dosen beiseitegeräumt, den Tisch gereinigt und die Päckchen ins Arbeitszimmer gebracht. Er trommelte den Takt mit, summte, sang, es war ein herrlicher Tag!
    »Hier stinkt wie Schweinestall.«
    Welche Engelsstimme erklang da? Baltasar musste sich zwingen, sich umzudrehen, eine himmlische Gestalt stand vor ihm, die Arme in die Hüfte gestemmt.
    »Was ist? Ist Ihnen nicht gut? Warten Sie.« Sie riss die Fenster auf, die Frischluft traf Baltasar wie ein Dampfhammer.
    »Teresa, ach, Teresa.«
    »Sie sehen blass aus, ich Ihnen gebe etwas zum Essen. Warten Sie.«
    Baltasar wollte protestieren, suchte nach einer Ausrede, nicht für Kochexperimente missbraucht zu werden, aber seine Stimmbänder gehorchten seinen Befehlen nicht. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, das Schicksal wollte es so, er war in Gottes Hand.
    »Ich hab zwei Kotlety Grzybowe für Sie, Rezept meiner Oma aus Polen, Pilzfrikadellen.« Sie stellte den Teller vor ihm ab. »Leider kein

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