Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
nicht zufrieden zu sein, das ist bedauerlich, sehr bedauerlich, wo ich doch bekannt dafür bin, nur das Beste für meine Kunden zu tun.« Er betrachtete nochmals die Kette. »Es gibt mir einen Stich, ich weiß auch nicht, wie ich das vor mir verantworten kann, aber Sie sind mir sympathisch, mein Herr, deshalb springe ich heute über meinen Schatten, Sie sollen nicht von mir denken, ich hätte kein Herz, sagen wir hundert Euro. Wie finden Sie das? Ist das ein Angebot?«
»Ich glaube, ich kann mich nicht davon trennen.«
»Der Herr überlegen noch? Überlegen Sie nicht zu lange, hier in Passau finden Sie kein besseres Angebot als bei mir. Was hätten Sie sich denn für einen Preis vorgestellt?«
»Keine Ahnung. Deswegen bin ich ja hier. Ich bin Pfarrer, das Stück wurde mir anvertraut. Deshalb würde ich gerne wissen, wie alt es ist und woher es stammt.«
»So kann man sich in den Menschen täuschen. Ein Geistlicher, schau an, schau an.«
»Vielleicht könnten Sie mir auch weiterhelfen, wenn heute kein Geschäft für Sie herausspringt? Was halten Sie von dem Stück, ganz ehrlich?«
»Ich bin immer ehrlich, ein ehrbarer Kaufmann. Wie könnte ich Hochwürden etwas ausschlagen? Ich bin Christ, verstehen Sie, da gehört es sich, ein gutes Werk zu tun. Und wenn Sie später an mich denken, wenn Sie wirklich was zu verkaufen haben, Holzfiguren oder Kerzenständer aus der Kirche beispielsweise, dann bin ich doch zufrieden.« Er nahm abermals die Lupe zur Hand. »Also ich würde sagen, das ist eine Arbeit aus dem Bayerischen Wald, die Knoten zwischen den Verbindungsgliedern sind typisch dafür. Wenn ich tippen müsste, würde ich sagen, sie stammt aus der Gegend von Neukirchen beim Heiligen Blut. Warten Sie, ich zeig Ihnen was.« Der Mann verschwand hinter dem Vorhang und kam mit zwei Rosenkränzen wieder. »Schauen Sie sich diese beiden Ketten an, der Herr. Da besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit Ihrem Objekt, nur sind meine Ketten nicht so aufwändig gearbeitet. Sie besitzen wirklich einen sehr seltenen Rosenkranz, das ist keine Massenware, das ist eine Sonderanfertigung.«
Baltasar wandte sich zum Gehen. »Danke, Sie haben mir sehr geholfen. Und Hand aufs Herz: Was ist die Kette nun wirklich wert?«
»Schwer zu sagen, für Liebhaber sicher mehrere tausend Euro. Aber dazu müssten Sie erst einen Käufer finden. Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen dabei. Machen wir halbe-halbe. Ist das ein Angebot?«
12
E s roch nach Desinfektionsmitteln und den Ausdünstungen von Leichen, ein Aroma, an das sich Wolfram Dix auch nach Jahrzehnten im Dienst nicht gewöhnen konnte und das bei ihm Übelkeit auslöste. Doch er tat unbeteiligt, was auch dem Umstand geschuldet war, dass sein junger Kollege neben ihm stand, vor dem er sich keine Blöße geben wollte.
»Also, was haben wir da?« Oliver Mirwald beugte sich über die Skelettteile. Der Pathologe legte seine Aufzeichnungen beiseite. »Weiblich, Anfang zwanzig, ohne erkennbare Krankheiten und Deformationen im Knochenbau, gut ausgewachsen für das Alter. Gebiss in Ordnung, eine Amalgamfüllung rechts unten, Kiefer gebrochen. Das Stück, das wir von dem Pfarrer erhalten haben, fügt sich exakt in die anderen Fragmente ein.«
»Wie lange lag die Tote in der Erde?«
»Das hängt stark von der Bodenbeschaffenheit und vom Klima ab. Dazu können die Kollegen vom Labor mehr sagen. Einige Jahrzehnte sicher.«
Dix deutete auf den Kiefer, wobei er darauf achtete, die Knochen nicht zu berühren. »Wieso ist der durchgetrennt?«
»Das lässt sich nicht exakt rekonstruieren. Wir haben zwar Spuren von Gewaltanwendung gefunden, aber die erklären nicht, warum ein Teil lose ist.« Er wies auf die entsprechende Stelle. »Das sieht aus wie mit einem Hieb abgetrennt.«
»Das war aber nicht die Todesursache«, sagte Dix.
»Zum Tod hat der Schlag mit einer scharfen Waffe geführt, ich würde auf ein Beil oder einen Spaten tippen. Der Schlag muss von hinten geführt worden sein und traf das Genick. Die Frau war sofort tot. Vermutlich hat der Täter mehrmals zugeschlagen, was zur Folge hatte, dass der Kopf beinahe vom Rumpf getrennt wurde. Den Rest besorgte die Verwesung.«
»Demnach liegt definitiv ein Gewaltverbrechen vor.«
»Ja. Diese Frau wurde ermordet.«
»Danke, Herr Kollege.« Dix machte auf dem Absatz kehrt und eilte ins Freie. Er schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender.
»Geht’s Ihnen gut?« Mirwalds Miene drückte Besorgnis aus.
»Mir geht es blendend. Herrlich, dieses Wetter.
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