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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Drei-Flüsse-Stadt gab. Dabei wäre Bischofsstadt die passendere Bezeichnung gewesen, überall bezeugten Kirchen und andere Gebäude die Macht des Katholizismus zu Zeiten, als Wien noch ein Ableger des Bistums war und der Einfluss weit nach Ungarn reichte.
    Die Aussichtsstelle war für Baltasar ein Platz zum Ausruhen. Die Donau drängte sich Richtung Österreich, das Wasser zu dieser Jahreszeit mehr schmutzig braun, jenes Blau, das einst die Dichter rühmten, fehlte völlig. Der Inn, nach dem Weg vom Schweizer Engadin, Kufstein und Neuötting, gab nun auf und ergoss sich in den Hauptstrom, eine grün gefärbte Bahn, seine Wucht und Präsenz war unübersehbar, selbst der Hauptfluss musste diesem Ansturm weichen. Die Ilz, braunschwarz, stieß vom Norden hinzu, vom Herzen des Bayerischen Waldes kommend, unauffällig, ein Wurmfortsatz, der von der Donau an den Rand gedrängt wurde. Über Hunderte von Metern behielten die drei Flüsse ihren eigenen Charakter, als weigerten sie sich, gemeinsame Sache zu machen. Doch irgendwann verlor das Auge den Überblick, und Inn und Ilz waren Teil von etwas Größerem geworden.
    Baltasar schlenderte durch die Gassen, die sich der Ostspitze anschlossen, bis er vor einer Schaufensterfront stehen blieb. Die Scheibe war milchig und trüb, in der Auslage türmten sich kleinere Podeste, auf denen, scheinbar wahllos hingeworfen, allerlei Waren lagen. Eine Schale mit Rosenkränzen stach ins Auge, gleich daneben gefasste Zähne und Hörner, wie sie als Anhänger für Charivari genutzt wurden, jenen Männerschmuck, den sich Lederhosenträger an den Gürtel hängten.
    Die Türglocke ging. Ein Geruch nach Leder, Polierwachs und vergilbtem Papier empfing Baltasar. Er wartete. Niemand kam, ihn zu bedienen, so sah er sich um. Der Gang verlor sich im Dunkel des Raumes, er war gesäumt von Vitrinen, Schränken und Regalen. Die Wände hingen voller Ölgemälde mit Naturszenen, dazwischen gerahmte Urkunden, Hirschgeweihe, Fotos von Berglandschaften und Kruzifixe in allen Farben und Materialien. Ein Schaukasten beherbergte Orden und Auszeichnungen, Eiserne Kreuze aus dem Ersten Weltkrieg, russische Tapferkeitsmedaillen und Ehrenzeichen der Deutschen Volkspolizei.
    Ein anderer Kasten präsentierte Spielzeugeisenbahnen, einen Trans-Europa-Express in Mini-Ausführung, ein Rhätisches Krokodil in Standardformat und eine Dampflok vom Typ P 8 in Übergröße. Daneben warteten verstaubte Fotoapparate auf Käufer, eine Kodak-Box neben einer Voigtländer, eine Plattenkamera neben einer Vorkriegs-Leica. Auf einem Tisch standen Schachteln mit alten Postkarten, ein Schuhkarton voller Christbaumkugeln und ein Teller mit Münzen, abgewetzt und oxidiert.
    »Womit kann ich dienen, der Herr?«
    Baltasar erschrak. Hinter ihm stand ein untersetzter Mann mit Halbglatze und Brille, die Lederweste glänzte vor Speck und schaffte es gerade noch, den Bauch in Form zu halten. Er musste aus einem Seitenzimmer gekommen sein, den Vorhang in der Ecke hatte Baltasar vorher nicht bemerkt.
    »Ich hab mich umgeschaut.«
    »Haben der Herr was Schönes entdeckt, was ihm behagt? Bei mir gibt es nur besondere Raritäten.« Seine Worte waren seltsam gedehnt, die Stimme schnarrte und hatte einen lauernden Unterton.
    »Sie haben wirklich außergewöhnliche Stücke, alle Achtung. Da kann man sich gar nicht sattsehen.«
    »Darf ich Ihnen was zeigen? Was genau suchen Sie?«
    »Einen Rosenkranz.«
    »Ich sehe, der Herr haben Geschmack. Ein religiöses Schmuckstück für die Frau Gemahlin? Rosenkränze sind meine Spezialität, ganz exquisit, lassen Sie sich überraschen, ich zeig Ihnen was.«
    »Ich meine, eigentlich habe ich einen Rosenkranz, den ich …«
    »Verkaufen wollen Sie, mein Herr, kein Problem, bei mir geht alles ganz schnell und seriös.« Der Mann zwinkerte ihm zu, doch die Geste wirkte, als hätte er Sand in die Augen bekommen. »Und das Geld, kein Problem, der Herr, ich zahle bar, ganz diskret.«
    Baltasar zeigte ihm die Gebetskette. Der Ladeninhaber nahm sie in die Hand, klemmte sich eine Juwelierlupe ins Auge und studierte die Glieder. Nach einer Weile legte er den Rosenkranz auf den Tisch.
    »Ist nicht ganz sauber und in schlechtem Zustand, da finden Sie keinen Abnehmer, die Kunden suchen neuwertige Ware. Ich geb Ihnen fünfzig Euro.«
    »Wie viel?«
    »Gut, ich könnte die Reinigung selber machen, das Gesparte würde ich Ihnen zugutekommen lassen, achtzig Euro.«
    Baltasar blieb stumm.
    »Der Herr scheinen mit meiner Offerte

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