Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Kartoffelsalat dazu. Soll ich sie aufwärmen?«
Baltasar schüttelte den Kopf. Die Frikadellen sahen aus wie Eishockey-Pucks. Tapfer zwang er sie hinunter, Bissen für Bissen. »Wollen was trinken? Ich hab heiliges Wasser für Sie.« Teresa holte eine Flasche ohne Etikett aus dem Kühlschrank und schenkte ein. Baltasar trank und trank. Es schmeckte wie Leitungswasser. Sein Kopf klarte langsam auf, und er leerte die ganze Flasche.
»Nicht so schnell, ist kostbar.«
»Ich besorge Ihnen eine neue Flasche.«
»Geht nicht, ist Spezialabfüllung aus dem Wald.«
»Mir egal.« Er drehte den Hahn auf und ließ das Wasser direkt in seinen Mund laufen. »Muss mich hinlegen.«
Am späten Nachmittag wachte Baltasar gut gelaunt auf. Er dachte darüber nach, was ihm der Kommissar über die tote Frau gesagt hatte: siebzehn Jahre alt, braunes Haar, mittelgroß, eher unauffälliges Aussehen, vor zwanzig Jahren umgebracht und verscharrt. Er musste herausfinden, wer sie war. Nach all der Aufregung war er es der Toten schuldig, ihr Schicksal zu klären und den Täter zu finden.
Der erste Weg führte ihn zur Gemeinde. Baltasar wandte sich an die Sekretärin von Bürgermeister Wohlrab, eine Frau in den Dreißigern, alleinstehend, wie es hieß. Nagellack und Lippenstift ließen darauf schließen, dass sie eine Schwäche für Signalfarben hatte, wie sie bei Verkehrsschildern zu finden waren. Er trug sein Anliegen vor.
»Habe ich Sie recht verstanden, Hochwürden, Sie wollen Einblick ins Melderegister vor zwanzig Jahren?« Die Stimme schwankte zwischen Unglauben und Belustigung. »Schon mal was von Datenschutz gehört, Herr Pfarrer?«
»Ich will von Ihnen keine Namen, sondern nur die Auskunft, ob es noch Personen gibt, die etwa zu jener Zeit gemeldet waren und die sich bis heute nicht abgemeldet oder ihren Umzug bekannt gegeben haben, die aber unter der alten Adresse nicht mehr erreichbar sind.«
»Sonst noch irgendwelche Extrawürste? Glauben Sie, das geht einfach so auf Knopfdruck? Warum wollen Sie das überhaupt wissen, wenn ich fragen darf?«
»Sie haben doch gehört, dass die Polizei die Leiche einer Unbekannten exhumiert hat. Ich muss die Beerdigung vorbereiten. Ich kann schließlich nicht für eine Namenlose einen Gottesdienst abhalten, das verstehen Sie doch?«
»Ich weiß nicht so recht …«
»Haben Sie denn gar kein Mitleid mit der jungen Frau?«
»Ich kenne sie doch gar nicht.«
»Eben.«
Die Tür ging auf. »Oh, Hochwürden, Sie hier? Womit können wir Ihnen helfen?« Xaver Wohlrab sah die Sekretärin fragend an, sie berichtete von dem Anliegen.
»Ja, ja, der Datenschutz, ein heiliges Prinzip in Bayern. Nur Berechtigte haben Zugriff auf die Daten. Folgen Sie mir in mein Büro, Herr Senner, da können wir uns weiter unterhalten.«
Das Reich des Bürgermeisters war eine Mischung aus Verwaltungsbüro und Bauernstube: Stahlschränke und Computer, in der Mitte ein überdimensionierter Schreibtisch aus Naturholz, auf dem ohne Probleme das letzte Abendmahl gefeiert werden konnte, an der Wand ein Kruzifix und eine geschnitzte Marienfigur. Baltasar nahm Platz auf einem Eichenstuhl ohne Polster, der den Besucher daran erinnerte, nicht zu lange sitzen zu bleiben, wenn einem das Hinterteil lieb war.
»Sie brauchen also eine Auskunft, Hochwürden.« Baltasar wiederholte sein Anliegen.
»Das arme Mädchen. Und das ausgerechnet bei uns. Wo wir gerade erst Investoren für ein Sporthotel begeistert haben. Hat die Polizei schon einen Verdacht?« Der Bürgermeister presste die Finger gegeneinander. »Wie Sie sich vorstellen können, will ich den Fall so schnell wie möglich vom Tisch haben.«
»Gerade darum ist es wichtig, die Identität der Frau festzustellen. Können Sie sich an eine Person erinnern, auf die die Beschreibung passt?«
»Mein Gott, das ist zwanzig Jahre her. Da war ich noch gar nicht im Amt, nicht mal in der Partei. Ob mir so jemand über den Weg gelaufen ist? Keine Ahnung, obwohl mir eine schöne Frau sicher aufgefallen wäre. Wer sagt denn, dass sie von hier stammt?«
»Niemand, es ist aber eine Möglichkeit. Keine Erinnerung?«
»Leider nicht, Herr Pfarrer. Sie verlangen zu viel. Mir ist kein Fall aus jener Zeit bekannt, wo es um ein vermisstes Mädchen ging.«
»Ein Blick in die Datenbank brächte Gewissheit.«
»Schau’n mer mal.« Wohlrab tippte sein Passwort ein und sah Baltasar an. »Sie wissen schon, dass das, was ich hier tue, am Rande des Erlaubten ist. Aber als Bürgermeister hat man da
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