Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
nicht, was er darauf antworten sollte. Besser, er hielt den Mund. Er würde ohnehin das tun, was notwendig war. Und da konnte ihn allenfalls der liebe Gott bremsen.
Dix und Mirwald verabschiedeten sich. Baltasar wollte gerade das Portal schließen, als eine Frau mit Stock heraushumpelte, in der Hand das Bild des Mädchens. Sie blickte sich um, als habe sie sich verlaufen.
»Frau Bichlmeier, ich habe Sie glatt übersehen. Geht’s Ihnen gut? Soll ich Sie heimbringen, oder soll Sie jemand mit dem Auto mitnehmen?«
Die Alte schien ihn nicht zu beachten. Ihr Kopf wippte hin und her. Ständig tippte sie auf die Fotokopie und sagte: »Des Madl hat der Deifi gseng, des Madl hat der Deifi gseng!«
»Was reden Sie da, Frau Bichlmeier?«
»Der Deifi steckt in ihr. I woaß, i woaß des ganz genau. Deshalb hat’s sterbn müssen, des Madl. Des is sicher. Der Deifi hat’s gholt.«
18
E s roch nach frisch gebrühtem Kaffee. Baltasar verabscheute alle Maschinen, die den Kaffee mehr oder weniger automatisch produzierten, ohne die Eigenheiten der Bohnen zu berücksichtigen und das Beste aus ihnen herauszukitzeln. Deshalb ging nichts über den guten alten Handaufguss, den Teresa nach anfänglichem Widerstand pflegte – vor allem, weil er besser schmeckte als ein normales Gebräu. Baltasar goss sich eine Tasse ein und bestrich eine Semmel mit Erdbeermarmelade. Er nahm einen Schluck. Der Kaffee schmeckte anders als sonst. Ganz anders. Teresa beobachtete ihn von der Spüle aus.
»Haben Sie’s gemerkt?«
»Sie sprechen in Rätseln, Teresa.«
»Der Kaffee. Ist anders heute. Besonders lecker.«
Baltasar kannte ihre eigenwillige Interpretation des Wortes »lecker«. Also war er auf der Hut.
»Was haben Sie da hineingemischt?«
»Nix. Ist wie immer. Nur anders.«
Er nahm einen weiteren Schluck. Das Aroma war nicht wie sonst, nicht schlecht, nur eben anders.
»Seltsam. Was haben Sie mit dem Wasser gemacht?« Er wusste, dass der Grundstoff elementar für das Gelingen eines guten Gebräus war, mindestens ebenso wichtig wie die Bohnen. Der Kalkgehalt, der Mineralienanteil, die Abfüllung – alles beeinflusste den Geschmack.
»Ist reines Wasser. Ein spezielles Wasser. Heiliges Wasser.«
»Heiliges Wasser? Sie meinen sicher Weihwasser. Unter uns: Das kommt aus der Leitung, ist allerdings gesegnet.«
»Nein, nein, richtiges heiliges Wasser von der Jungfrau Maria. Hab ich selbst gezapft.«
Wollte Teresa ihn auf die Probe stellen oder einfach nur veräppeln? Zuzutrauen wäre es ihr. Er hielt nichts von den diversen Wunderwässerchen, die zu Wucherpreisen an heiligen Orten angeboten wurden, egal, ob sie aus Lourdes in Frankreich oder aus dem Jordan in Israel stammten.
»Ist das eine spezielle Marke, vielleicht aus Italien?«
»Hab ich aus Quelle, im Wald.« Sie holte eine halbvolle Flasche aus dem Kühlschrank. »Hilft gegen Durchfall, Verstopfung, Herzklopfen und Unfruchtbarkeit. Sie können es auch zum Einreiben nehmen, gerade bei Rheuma.«
»Danke, ich benutze Wasser zum Waschen und zum Trinken. Wo genau haben Sie das Zeugs her?«
»Das ist kein Zeugs! Ich war bei der Marienquelle im Wald und habe es von dort geholt. Das tun viele Leute! Ich in Metzgerei ein Gespräch mit angehört.«
Baltasar hatte von einer Gesundheitsquelle gehört, die eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt und etwas versteckt an einem Berghang lag. Wenn er sich nicht irrte, war er vor einigen Jahren selbst mal dort vorbeigewandert.
»Ich kenne den Ort. Das ist gewöhnliches Wasser, auch nicht besser als das aus dem Hahn. Die Mutter Gottes hat da nicht ihre Finger im Spiel, das dürfen Sie mir als Priester ruhig glauben, Teresa.«
»Sie wissen nichts! Sie nur reden und nichts wissen!« Die Haushälterin klang erzürnt. »Ungläubig sind Sie! Bei der schwarzen Madonna von Tschenstochau, ich sage Ihnen, das sein ein besonderes Wasser. Gehen Sie doch selbst hin und überzeugen Sie sich!«
Sie lief hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Baltasar seufzte. Frauen konnten manchmal anstrengend sein. Um seinen guten Willen zu demonstrieren, beschloss er, zu dieser Quelle zu gehen. Er zog sich um und suchte feste Schuhe heraus. Als er gerade das Haus verlassen wollte, spähte Teresa aus der Küchentür.
»Sie gehen?«
Er nickte.
»Dann Sie bringen mir Nachschub mit – bitte.« Sie drückte ihm einen Rucksack mit zwei Plastikflaschen in die Arme. »Sie müssen unbedingt vor Ort probieren, das ist reines Bio.«
Er hoffte, dass er sich noch an den Weg
Weitere Kostenlose Bücher