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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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erinnern konnte. Sobald er den Ort hinter sich gelassen hatte, atmete er durch. Das Wetter war perfekt für einen Ausflug. Um diese Jahreszeit zeigte sich der Bayerische Wald von seiner schönsten Seite, wenn die Farben der Landschaft sich je nach Lichteinfall änderten.
    Als er in den Wald eintauchte, musste er sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen. Er folgte der Forststraße, die tiefer in das Dunkel führte, Furchen und Reifenspuren deuteten darauf hin, dass sie regelmäßig von Traktoren benutzt wurde. Schon bald endete die Straße, und ein schmaler Weg schloss sich an, der sich zwischen den Bäumen hindurchschlängelte und dem Hang folgte. Links ging ein Pfad ab. Baltasar war sich unsicher, ob er ihn nehmen sollte, tat es aber dann doch.
    Der Boden federte unter seinen Füßen, festgetretene Erde wechselte mit Moos und Nadelteppich, während das Gelände steiler und das Licht spärlicher wurde. Nach einiger Zeit merkte er, wie der Untergrund feuchter wurde, und wenige Meter weiter hörte er ein Gurgeln. Er stieß auf einen Bach, mehr ein Rinnsal, und wusste, er war zu weit unterhalb der Quelle gelandet. Jetzt brauchte er nur noch dem Wasserlauf bergauf zu folgen. Der Anstieg wurde steiler, mehrmals glitt er aus und musste sich abstützen. Umgefallene Baumstämme standen im Weg, und an einer Stelle war der Hang ins Rutschen gekommen, sodass die Wurzeln aus der Erde hervorbrachen.
    Baltasar glaubte, Stimmen zu hören. Er blieb stehen und lauschte. Tatsächlich, die Stimmen waren nun deutlich zu unterscheiden. Sie mischten sich in das Plätschern der Quelle, ein gleichmäßiges Flüstern in einer Sprache, die niemand verstand. Baltasar ging näher heran.
    Hinter einem Busch blieb er stehen. Das Wasser sprudelte aus einer Mulde im Boden, sammelte sich in einem Felsbecken und nahm von dort seinen Weg bergab. Vor dem Naturbecken knieten zwei Männer und schöpften mit einem Becher das Wasser in Thermoskannen.
    »Kommst du morgen?«, fragte der eine. Baltasar schob einen Zweig beiseite und erkannte Hubert Schindler, den Sohn von Lydia. Er lebte noch bei seinen Eltern und schien keiner geregelten Beschäftigung nachzugehen. Wahrscheinlich hatte er es nicht nötig zu arbeiten und konnte, wie die gesamte Familie, von den Zinsen der Immobilienverkäufe leben. Sein Gesprächspartner war Nepomuk Hoelzl, der Einsiedler. Er trug einen Blaumann. An seiner Seite standen zwei Reisetaschen mit Flaschen.
    »Weiß nicht, hab eigentlich genug mit der Vorbereitung unseres nächsten Treffens zu tun. Und arbeiten muss ich auch noch.«
    »Mach doch einen Tag blau. Du musst doch nicht jeden Tag wie ein Missionar auf Achse sein.«
    »Ich hab meine Prinzipien, des weißt du. Daran ist nicht zu rütteln. Schließlich profitiert unsere kleine Gemeinschaft davon.«
    »Hast ja recht. Aber es gibt auch noch andere Dinge, die wichtig sind. Wir treffen uns am Freitagabend wieder hier?«
    »Wie immer. Die anderen wissen Bescheid.«
    Sie unterhielten sich eine Weile über Belangloses. Baltasar versuchte bequemer zu stehen und achtete auf seine Tarnung, denn um sich zu erkennen zu geben, war es nun zu spät. Plötzlich fiel das Wort »Kommissar«. Baltasar horchte auf.
    »Tritt dieses Schroamaul tatsächlich in der Kirch auf, dieser herglaffane Pfiffkas«, verfiel Hoelzl in Dialekt. »Auf so ein hamma grad no g’wartet, dass der aus Passau kimmt und uns erklärn wolat, wo’s langgeht.«
    »Und der Begleiter erst, dieser junge Lackaff, mit seim Gfries, hält sich für was Besseres. Dabei kann er kaum bis drei zählen.«
    »Dieser Pfarrer is’ mit schuld, warum hat er die Schwollschädl überhaupt eingeladen? Man merkt, dass er net von hier is. Seinem Vorgänger wär ein solcher Fehler nicht passiert.«
    »Jetzt laufen die Kripo-Heinis schon im Ort herum und fragen jeden nach dem Mädchen. Bin gespannt, wann sie bei mir auftauchen. Denen sag ich aber die Meinung, das kannst mir glauben.«
    Hubert Schindler verstaute seine Thermoskannen. »Ich sag’s ganz ehrlich, ich will von der ganzen G’schicht nix wissen, ist schon so lange her. So ein Krampf, die alten Sachen aufzuwärmen.«
    »Irgendwie kam mir das Madl bekannt vor, die auf dem Bild, das die Polizisten verteilt haben.«
    »Hörst du damit auf?« Schindler trompetete die Worte hinaus. »Ich will davon nichts hören, ist das klar? Hab ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
    »Jetzt krieg dich wieder ein, ich bin doch nicht schwerhörig. Wie konnt ich wissen, dass du so empfindlich bist wie

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