Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
die Aufnahmen, es war dieselbe Anordnung der Gedenktafeln, wie er sie kannte.
»Über die Familiennamen auf den Inschriften weiß ich nichts, auch nicht, wie lange die Totenbretter dort schon stehen. Wenn der Mörder das Opfer dort absichtlich vergraben hätte, zeugt das in meinen Augen von einem kranken Gehirn.«
17
K ommissar Dix lief auf und ab wie ein Panther im Käfig. Er blieb vor dem Spiegel stehen, rückte das Revers seines Sakkos gerade, ging weiter, kam zurück, überprüfte den Sitz der Krawatte.
»Mirwald, wie sehe ich aus?«
»Wie ein Kommunionsschüler.« Der Assistent lehnte am Tisch. »Musste es denn ein schwarzer Anzug sein?«
»Das verstehen Sie nicht, Mirwald, das ist hier Brauch. Und die Schuhe, passen die dazu?«
»Man könnte meinen, Sie gingen zu einem Rendezvous, so wie Sie sich anstellen, Herr Dix.«
»Ich bin verheiratet, wie Sie wissen. Ein seriöses Erscheinungsbild kann nicht schaden, das macht Eindruck. Das sollten Sie sich für künftige Ermittlungen merken, Mirwald.«
»Wissen Sie schon, was Sie sagen werden?«
»Natürlich weiß ich … Machen Sie mich nicht nervös. Eine solche Situation hat man nicht jeden Tag.«
»Das können Sie laut sagen. Wenn Sie der Dienststellenleiter jetzt beobachten könnte, der würde vor Begeisterung …«
»Still jetzt, ich will nichts mehr hören. Glauben Sie, ich bin angemessen gekleidet, Hochwürden?«
»Wunderbar sehen Sie aus.« Baltasar versuchte seine Worte glaubwürdig klingen zu lassen. Er holte seine Kasel aus dem Schrank und streifte sie über. »Wir sollten noch die Details Ihres Auftritts klären, Herr Dix.«
Der Kommissar hatte gebeten, vor der Gemeinde sprechen zu dürfen, um sie zur Mithilfe bei den Ermittlungen zu bewegen. Nach kurzem Zögern hatte Baltasar zugestimmt, auch um die Spannungen mit der Kriminalpolizei Passau nicht noch zu verstärken.
»Was meinen Sie damit? Ich sag einfach ein paar Worte, dann verschwinde ich wieder.«
»Ganz so einfach ist es nicht, Herr Kommissar. Schließlich feiern wir einen Gottesdienst. Deshalb sollten wir auf einen würdigen Rahmen achten.«
»Was heißt das? Soll mein Kollege als Ministrant für Sie arbeiten?«
Mirwald bekam einen Hustenanfall. »Alles, nur das nicht. Ich verdrück mich nach hinten.«
»Wann wollen Sie den Kirchenraum betreten? Sie brauchen nur durch diese Sakristeitür zu gehen und gelangen direkt zum Altar.« Baltasar deutete auf den Durchgang.
»Ich weiß nicht so recht …«
»Wollen Sie hier drin warten, und ich lasse Sie holen?« Baltasar zwinkerte Mirwald zu. »Ich kann auch die Altarschellen erklingen lassen, als Signal für Ihren Einsatz. Oder die Orgel intoniert den Hochzeitsmarsch.« Mirwald drehte seinem Kollegen den Rücken zu und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten.
Dix achtete nicht darauf. »Was meinen Sie, Hochwürden?«
»Sie wollten doch einmal der Rockstar sein und ausprobieren, wie es sich anfühlt, wenn alle Augen auf Sie gerichtet sind. Jetzt haben Sie die Chance dazu, vermasseln Sie es nicht.«
»Gibt es denn keine andere Lösung, was Unauffälligeres?«
»Dann schlage ich vor, Sie gehen ins Freie, benutzen ganz normal den Haupteingang und setzen sich in die erste Reihe. Kurz vor Schluss der Andacht werde ich Sie ankündigen.«
»Gut, das ist gut.« Dix klang erleichtert. »Aber wo stelle ich mich hin, hinter den Altar, neben den Altar, vor den Altar?«
»Vor den Altar, da brauchen Sie nur drei Schritte zu machen. Einverstanden?«
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, einige Besucher mussten sogar stehen. Man sollte die Polizei öfter einladen, dachte Baltasar, als Publikumsmagnet. An dem Ansturm war er freilich nicht ganz unschuldig, schließlich hatte er im Vorfeld den Auftritt der Kriminalpolizei per Plakat angekündigt.
Und sie kamen, um zu sehen und zu hören. Es herrschte Premierenatmosphäre, und das bei freiem Eintritt. Hüsteln und Getuschel. Die Männer hatten den Sonntagsanzug herausgeholt, die Frauen übertrumpften einander mit ihren Gewändern. Vielen war die Sensationslust anzusehen: Würde der Kommissar heute neue Ermittlungsergebnisse vortragen, am Ende gar eine Verhaftung vornehmen?
Sebastian schwenkte das Turibulum. Für den besonderen Anlass hatte Baltasar eine Weihrauch-Mischung aus Ägypten gewählt, ein herbes Aroma aus Kampfer und Styrax. Er inhalierte eine Brise, ließ den Rauch in der Lunge verweilen und durch die Nase entweichen.
»Lasst uns beten.«
Die Menschen waren
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