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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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gekommen, um etwas Besonderes zu erleben, also lieferte er ihnen heute eine Sondervorstellung. Denn das war es im Kern, was ein katholischer Priester den Gläubigen bot, eine Aufführung jenseits des Alltagslebens, in einer Umgebung, die Respekt einforderte und die Grundstimmung festlegte. Die Lieder und Botschaften waren tausendfach erfolgreich getestete Instrumente, die Gläubigen zu erreichen und ein spirituelles Erlebnis auszulösen. Der Ablauf der Liturgie setzte auf eine raffinierte Dramaturgie mit Höhepunkten und Phasen der Entspannung, wie es sich die Theaterautoren der griechischen Antike nicht besser hätten ausdenken können.
    Baltasar hielt feierlich die Arme ausgebreitet. Er wartete, bis alle Augen auf ihn gerichtet waren, dann zählte er leise bis drei, hielt die Spannung noch einen Moment und ließ die Arme wieder sinken, um sie sogleich zum Gebet zu falten. Er stimmte ein Lied an, die Gemeinde fiel ein, und die Kraft des gemeinschaftlichen Singens ließ die Gesichter glühen. Der Kommissar in der ersten Reihe war unüberhörbar, neben ihm der Bürgermeister mit seiner Frau und dem Sparkassendirektor, Vereinsvorsitzende und ein Parteifunktionär. Die Metzgersgattin Emma Hollerbach hatte ihr Haar toupiert und mit einem seltsamen Hut drapiert, der aussah, als ob Vögel darin nisteten. Am Rand saß Walburga Bichlmeier, ihre Hände auf einen Stock gestützt und ins Leere starrend.
    Thema der Predigt war die Wiederauferstehung. Baltasar zog Parallelen zu der Unbekannten, die plötzlich aus ihrem Ackergrab aufgetaucht war. Er sprach von Suche und Heimat, von der Beziehung der Mutter zu ihrem Kind. Von Unrecht und Gerechtigkeit, von der Verantwortung des Einzelnen. Während seiner Ansprache beobachtete er die Besucher, versuchte in den Mienen zu lesen, ob jemand durch eine Reaktion verriet, dass er mehr über den Fall wusste. Vergeblich. Selbst Alfons Fink und seine Ehefrau Gabriele blieben reglos sitzen. In der letzten Bank entdeckte Baltasar die Familie Schindler, sonst seltene Kirchgänger, eine Reihe weiter vorn Nepomuk Hoelzl, der sich ebenfalls so gut wie nie blicken ließ.
    Kurz vor Schluss der Messe suchte Baltasar den Blickkontakt mit dem Kommissar und nickte ihm zu. Dix rutschte auf seinem Sitz herum, die Hände verknoteten sich, seine Lippen bewegten sich lautlos.
    »Liebe Gemeinde, bevor ich den Segen spreche, möchte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten.« Baltasar machte eine bedeutungsschwangere Pause. »Wie Sie wissen, ist das Skelett eines unbekannten Mädchens bei uns gefunden worden. Herr Kriminalhauptkommissar Wolfram Dix ist mit seinem Kollegen aus Passau zu uns gekommen, um ein paar Worte an die Gemeinde zu richten. Bitte, Herr Dix.«
    Der Kommissar schoss hoch, sein Gesangbuch fiel zu Boden, er hob es auf und trat vor. Er räusperte sich. Baltasar gab ihm unauffällig einen Klaps auf die Schulter und flüsterte: »Das machen Sie wunderbar.«
    »Hochverehrte Anwesende, meine Damen und Herren.« Dix schaute nach links und nach rechts, als erwarte er, dass jemand applaudierte. Da es ruhig blieb, setzte er erneut an und kam langsam in Fahrt. Er berichtete von den bisherigen Ermittlungsergebnissen und erklärte, die aktive Mithilfe der Bevölkerung zu benötigen. Wer die Tote kenne oder etwas über sie wisse, solle sich bei ihm melden. Schließlich bedankte er sich für die Aufmerksamkeit und sah erwartungsvoll in die Menge. Niemand klatschte. Mit gesenktem Kopf nahm Dix wieder Platz.
    Nachdem Baltasar den Segen erteilt hatte, eilte er zum Ausgang, um die Kirchgänger persönlich zu verabschieden. An der Tür hatte bereits Oliver Mirwald Stellung bezogen, in der Hand einen Packen Fotokopien mit dem Bild und den Daten des Mädchens. Während er sie verteilte, ermahnte er die Menschen, sich auch bei Vermutungen und Gerüchten aus zweiter Hand an die Polizei zu wenden.
    Dann trat Dix zu ihnen.
    »Und, wie war ich?«
    »Große Klasse, ehrlich.« Mirwalds Miene blieb ungerührt. »Sie haben Talent für die Bühne.«
    »Wirklich? Mir hat’s jedenfalls Spaß gemacht. Habe ich auch laut genug gesprochen, Hochwürden?«
    Baltasar bestätigte ihm, alles sei klar und deutlich bei den Besuchern angekommen.
    »Eine Sache noch, Herr Senner.« Mirwald drehte sich zu ihm. »Wir sind Ihnen wirklich dankbar, dass Sie diese Aktion unterstützt haben. Aber lassen Sie’s nun bitte gut sein und unternehmen Sie keine Ermittlungen mehr auf eigene Faust. Das ist jetzt was für die Profis, klar?«
    Baltasar wusste

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