Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Allerheiligste. Der Vorgesetzte empfing ihn in seinem Büro.
»Herr Senner, Gott zum Gruße, wie schön, Sie wieder bei uns zu haben.« Siebenhaar klatschte in die Hände. »Wir haben viel zu selten das Vergnügen.«
Nicht selten genug, dachte Baltasar und erwiderte den Gruß. »Sie sehen besser aus denn je, Euer Exzellenz.« Soweit man das bei der dürren Gestalt sagen konnte.
»Lassen Sie das Exzellenz weg, Senner. Wir sind doch unter uns. Was macht Ihre Gemeinde?«
»Im Moment ist alles ein bisschen aufregend, dafür ist die Kirche gut gefüllt.« Baltasar fragte sich, wann der Bischof auf den Kriminalfall zu sprechen kam. Denn deswegen war er vermutlich hierherbestellt worden.
»Das freut mich, wenn Sie solchen Zulauf haben. Bei Ihnen wohnen eben treue Katholiken.«
»Es sind liebenswerte Menschen.«
»Meinen Sie damit auch Ihren Freund, diesen Franzosen, wie heißt er doch gleich, Waller?«
»Vallerot. Philipp Vallerot.«
»Habe ich Ihnen nicht schon früher gesagt, keinen Umgang mit diesem Atheisten zu pflegen? So etwas gehört sich nicht für einen katholischen Priester.«
»Ich bin zuversichtlich, ihn noch zu bekehren – irgendwann.«
»Warum missachten Sie meinen Wunsch? Ist es zu viel verlangt, wenn ich Sie darum bitte? Sie müssen bedenken, es geht nicht nur um Ihren Sturkopf, sondern auch um das Ansehen der Diözese…«
»Der liebe Gott ist gütig und geduldig. Er sorgt sich um jedes seiner verirrten Schäfchen. So wie ich. Außerdem halte ich es für meine Privatsache, das hat nichts mit meinem Amt zu tun.«
»Ein Pfarrer ist immer im Dienst, das wissen Sie. Ich würde nichts sagen, wenn Sie sich ausschließlich um die Gemeindearbeit kümmerten.«
Jetzt sind wir beim Thema, dachte Baltasar. »Bei mir kommt kein Mensch zu kurz.«
»Aber ich mache mir Sorgen, Senner. Sehen Sie es einem alten Mann nach, dass er sich sorgt. Mir ist da einiges zu Ohren gekommen, was mich um meinen Schlaf bringt.«
»Sie schlafen schlecht? Meine Haushälterin hat dafür ein wunderbares Mittel von ihrer Großmutter aus Polen.«
»Mich hat ein Herr von der Kriminalpolizei Passau angerufen. Ein gebildeter Mann, ein Doktor Mirwald. Er hat mir von dem toten Mädchen erzählt und welche Rolle Sie dabei gespielt haben. Ein Skelett ausgraben, Senner, ich bitte Sie! War das schon peinlich genug für mich, kam es noch schlimmer. Der Beamte sagte, Sie würden sich in polizeiliche Ermittlungen einmischen. Ich habe das natürlich abgestritten, ich bin immer auf der Seite meiner Truppen, aber im Innersten meines Herzens zweifle ich. Herr Senner, befreien Sie mich von meinen Zweifeln. Sagen Sie mir, dass da nichts dran ist und dass Sie die Beamten ihre Arbeit machen lassen.«
Es trat eine kurze Pause ein. Baltasar betrachtete die Ölgemälde an den Wänden, den Bronzeengel am Fenster, das Muster des Orientteppichs. »Ich mische mich nicht in die Ermittlungen der Polizei ein. Wenn mich aber Gemeindemitglieder um etwas bitten, kann ich doch meine Hände nicht in den Schoß legen, oder?« Das entsprach zwar nicht hundertprozentig den Tatsachen, aber er betrachtete es als großzügige Auslegung der Wahrheit. »Außerdem hat die Tote ein christliches Begräbnis verdient, da ist es doch meine Pflicht, mich um die Angelegenheit zu kümmern.«
»Herr Senner, Ihre eigenwillige Art wird Sie in Schwierigkeiten bringen, ich fühle das. Warum konzentrieren Sie sich nicht auf die Seelsorge in Ihrer Gemeinde, wie es all Ihre anderen Kollegen im Bistum auch machen? Keine Extratouren. Bitte.«
»Meine eigentliche Arbeit kommt nicht zu kurz, keine Sorge.« Wobei Baltasar offen ließ, was seine eigentliche Arbeit war. »Ich war und bin immer voll bei der Sache. Darauf können Sie sich verlassen, bei Gott.«
Der Bischof seufzte. »Senner, Senner, Ihr Engagement in Ehren, aber verlieren Sie Ihre Ziele nicht aus den Augen.«
Baltasar versuchte es mit einem Themenwechsel, um das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. »Etwas brennt mir auf der Seele, Euer Exzellenz. Da könnten Sie mir vielleicht helfen.«
»Dazu bin ich da, Senner. Und sparen Sie sich die Exzellenz. Betrachten Sie mich als Ihren Beichtvater. Wo drückt’s denn?«
»Es ist mehr ein irdisches Problem. Um mich noch besser um meine Gemeindemitglieder zu kümmern, wie Sie zu Recht anregen, bräuchte ich ein eigenes Auto. Nur mit dem Fahrrad zu fahren, das reicht nicht.«
»Aber das ist gesund. Da sind Sie an der frischen Luft. Menschen aus ganz Deutschland kommen in den
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