Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
irgendwas hindern, Frau Stowasser, Gott bewahre. Ich bin nur hier, um Ihre Bedenken zu zerstreuen. Denken Sie doch mal an die Gewerbesteuereinnahmen, die dieses Projekt der Gemeinde bringt.«
»Sie können sich Ihre Steuer sonst wo hinstecken!« Ihre Stimme wurde lauter. »Sie wollen doch nur einen Reibach machen mit dem Grundstücksverkauf.«
»Ihre Vorwürfe kränken mich, Frau Stowasser. Die Gemeinde ist Ihnen immer entgegengekommen, bei den Bauvorschriften und den Öffnungszeiten beispielsweise. Und jetzt werden Sie gleich ausfallend und kommen mir mit absurden Anschuldigungen. Fragen Sie doch den Herrn Pfarrer. Der unterstützt das Bauvorhaben auf ganzer Linie, stimmt’s, Hochwürden?«
Am liebsten wäre Baltasar im Boden versunken. Mit welcher Gerissenheit Wohlrab versuchte, die Situation zu seinen Gunsten zu wenden. Typisch Politiker!
»Sie sollten sich was schämen, Herr Bürgermeister!« Victoria bebte vor Zorn. »Sie gehen jetzt besser, und zwar schnell, bevor ich mich vergesse! Sie wissen ja, wo die Tür ist.« Sie drehte sich um und verschwand in der Küche.
Der Bürgermeister verabschiedete sich. Baltasar folgte ihm nach draußen. Er hatte einen Einfall, um seine Recherchen voranzutreiben. Dazu brauchte er die Genehmigung des Gemeindevorstehers. »Das war eben nicht ganz fair, Herr Wohlrab. Aber ich will ausnahmsweise darüber hinwegsehen. Gilt Ihr Wort noch, mich nochmal ins Melderegister schauen zu lassen?«
Wohlrab schien mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. »Was sagen Sie, Hochwürden? Die Akten? Meinetwegen. Ich sag der Sekretärin Bescheid.« Grußlos zog er von dannen.
Als Baltasar das Amtszimmer betrat, feilte die Sekretärin gerade ihre Fingernägel. »Der Herr Bürgermeister hat mir schon gesagt, dass Sie kommen.« Sie feilte seelenruhig weiter. Als sie Baltasars Blick bemerkte, meinte sie: »Ist notwendig, sonst kann ich auf der Computertastatur nicht ordentlich tippen. Also, wo brennt’s denn?«
»Es wäre nett, wenn Sie im Melderegister nach folgenden Personen suchen könnten.« Er gab der Frau einen Zettel mit den Namen.
»Huch, das ist aber lange her. Da muss ich in den Keller, die Daten haben wir wahrscheinlich nicht elektronisch erfasst. Sie hätten auch schon früher kommen können, jetzt ruinier ich mir die Finger!«
»Kein Problem, ich helfe Ihnen. Die Akten kann ich mir auch selbst holen.«
Die Sekretärin überlegte. »Meinetwegen. Gehen wir nach unten.«
Das Archiv mit Betonfußboden und schmutzig weißen Wänden strahlte den Charme eines Luftschutzbunkers aus. »Ein bisschen staubig hier«, sagte die Sekretärin. Sie deutete auf die in mehreren Reihen aufgestellten Stahlschränke. »Die Akten sind alphabetisch geordnet. Anfangsbuchstaben stehen vorn drauf. Bitte nichts durcheinanderbringen. Und denken Sie an den Datenschutz, Herr Pfarrer. Wir zählen auf Ihre Verschwiegenheit. Wenn Sie Hilfe brauchen, wissen Sie, wo Sie mich finden.«
Baltasar suchte nach dem Buchstaben A für Auer. Ludwig Auer war der Name, der auf dem Totenbrett am Feld gestanden hatte, in der Nähe des Skelett-Fundorts. Geboren am 17. März 1897, gestorben am 5. November 1969. Wo hatte der Mann früher gewohnt? Der Name fand sich auf einem Hängeregister. Viel war in der Mappe nicht enthalten, ein Antrag für einen Reisepass und die Karte mit den Meldedaten. Es fiel auf, dass Auer kurz vor seinem Tod nochmal umgezogen war. Baltasar notierte die letzte Anschrift sowie die Daten seines vorangegangenen Wohnsitzes. Es war eine Adresse, die ihm bekannt vorkam. Ein Bauernhof etwas außerhalb.
Auch der zweite Name war in den Unterlagen registriert. Frau O. Reisner, O stand für Ottilie, Bäuerin, gestorben am 1. März 1979. Ihr erster Wohnsitz machte Baltasar stutzig – es war derselbe Bauernhof, auf dem auch Auer gelebt hatte. Die Frau hatte sich zur selben Zeit umgemeldet wie Ludwig Auer, zur selben Adresse wie er. Einziger Unterschied: Nach Auers Tod war sie ein weiteres Mal umgezogen. Die Karte vermerkte als Familienstand ledig. War Ottilie Reisner eine Geliebte gewesen, eine Verwandte, eine Angestellte? Die Akten gaben darüber keine Auskunft, das erforderte weitere Recherchen.
Da er schon einmal Zugriff auf die Daten hatte, konnte Baltasar der Versuchung nicht widerstehen. Er ging hoch zur Sekretärin des Bürgermeisters und bat um Einsicht in das elektronische Melderegister. »Ich brauche ein paar Daten, um unser Kirchenbuch zu vervollständigen.« Baltasar sandte eine Entschuldigung gen
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