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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Doch ich bin hier Gast und will mich natürlich an Ihre Gepflogenheiten anpassen.«
    Teresa hatte bereits den Tisch gedeckt und einen Teller ihrer übrig gebliebenen Makowiec hingestellt. Die Dinger mussten mittlerweile steinhart sein, vermutete Baltasar. Da half nur noch ein Hammer beim Essen. Bruder Pretorius sprach ein Gebet, bekreuzigte sich und griff zu. Er schob sich ein Gebäckstück in den Mund, biss zu, ein Knacken war zu hören, sein Gesicht zeigte Überraschung, wieder knackte es, doch danach kaute er, als wäre nichts geschehen.
    »Vorzüglich, sehr verehrte Frau Teresa, wirklich vorzüglich.« Er griff sich den nächsten Makowiec.
    Baltasar hatte unwillkürlich eine Vision von einer Steinlaus. »Erzählen Sie, Bruder Pretorius, was treibt Sie in unsere Gegend?«
    »Ich mache gerade eine Reise durch Deutschland. Und da darf der Bayerische Wald nicht fehlen. Bischof Siebenhaar hat mich zu sich nach Passau eingeladen.«
    »Woher kennen Sie ihn?«
    »Wir haben uns vor längerer Zeit auf einem Kongress in Rom kennengelernt. Seitdem haben wir Kontakt gehalten. Nach Passau will ich nun die Region erkunden. Hier sollen die Menschen besonders gläubig sein, heißt es.«
    »Soll ich Ihnen die Gegend zeigen? Oder gehen Sie wandern? Bei uns ist jede Menge geboten. Oder eine Kur, tun Sie was Gutes für Ihre Gesundheit.«
    »Nein danke, meine Interessen sind mehr spiritueller Natur. Ich komme schon zurecht, jedoch danke ich Ihnen für Ihr Angebot.«
    »Wo sind Sie eigentlich stationiert? Anders gefragt: Wo ist Ihre Heimat?«
    »Meine Heimat ist die katholische Kirche. Ich bin Jesuit. Ich gehe dahin, wo ich gebraucht werde. Gerade komme ich aus Stuttgart, davor war ich in Köln und in einem Dorf bei Neuss und in Flensburg.«
    Er erzählte weiter von seinen Reisen, ließ sich Kaffee nachschenken, leerte den Teller mit Makowiec, griff zur Konfitüre. Dann, zwei Marmeladenbrote später, stand er auf. »Ich werde jetzt auspacken und in die Kirche gehen. Ihr Mahl war wirklich vorzüglich, sehr verehrte Frau Teresa.«
    »Ein feiner Herr, der Herr Bruder Pretorius«, sagte Teresa später. Sie strahlte. »Ich gleich nachsehen, was ich heute Abend koche.«
    Baltasar sprach innerlich ein Dankgebet, dass er nun von Bruder Pretorius erlöst war. Das versprachen anstrengende Tage zu werden, wobei er vergessen hatte zu fragen, wie lange der Pater eigentlich bleiben wollte. Seine Pläne für den Tag sahen jedenfalls anders aus. Er wollte herausfinden, was mit den beiden früheren Bewohnern des Schindler-Anwesens passiert war. Er lieh sich von Philipp Vallerot das Auto und kündigte ihm an, er habe demnächst noch einen Auftrag für ihn.
    Der einzige Anhaltspunkt, den er hatte, war die letzte Adresse von Ottilie Reisner in der Kreisstadt Regen. Baltasar musste mehrmals wenden, bis er die Straße fand, die zu einem Gebäudekomplex am Stadtrand führte. Er vergewisserte sich, dass er die richtige Hausnummer erwischt hatte – ein Altenheim. Am Empfang fragte er sich zur Verwaltung durch. Die Sekretärin empfing ihn mit professioneller Höflichkeit. Er stellte sich vor und fragte, ob noch Unterlagen über eine Ottilie Reisner vorhanden waren, gestorben 1979.
    »Wofür brauchen Sie denn die Informationen?«
    »Ein Gefallen für Verwandte.« Was nicht stimmte, der liebe Gott möge ihm verzeihen. Aber die Sekretärin fragte nicht weiter nach – ein Vorteil seines Berufs. Bei Priestern nahm man automatisch an, dass sie immer die Wahrheit sagten.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Sekretärin die entsprechende Karteikarte gefunden hatte. »Das Todesjahr stimmt. Sie wurde auf dem örtlichen Friedhof beerdigt. Keine direkten Nachkommen, zumindest steht hier nichts. Hatte ein Eckzimmer im ersten Stock.« Sie wedelte mit der Karte. »Tut mir leid, Hochwürden, mehr haben wir nicht.«
    Baltasar war schon zur Tür hinaus, als die Frau rief: »Warten Sie, mir fällt da was ein.« Sie tippte in ihren Computer. »Da haben wir’s. Anna Herzog, Zimmer siebzehn, erster Stock. Die Dame ist schon steinalt, kann nicht mehr richtig gehen, ist aber noch fit im Kopf. Sie war schon zu der Zeit bei uns, als Frau Reisner ebenfalls hier war. Vielleicht erinnert sie sich noch an sie.«
    Baltasar bedankte sich und suchte nach dem Zimmer. Er klopfte. Als niemand antwortete, klopfte er noch einmal. Er hörte ein schwaches »Herein«. Die Einrichtung bestand aus einem Bett, einem Schrank, einem Tisch und einem Stuhl. Und einem Fernseher. Ein Orchideenstock stand

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