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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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Ziermalereien versehen.
    Mit der Kamera ging Vallerot direkt zur Eingangsfront, er tat so, als wolle er Details aufnehmen. Die Tür war geschlossen. Er lugte durchs Fenster. Im Halbdunkel entdeckte er die beiden Schindlers und den anderen Mann. Sie knieten und beteten. Was sollte das bedeuten? Der lange Weg, nur um in eine Kirche zu gehen? Fast hätte er übersehen, wie sie wieder herauskamen. Er konnte sich gerade noch zur Seite drehen und den Fotoapparat zum Schutz vors Gesicht halten. Wortlos gingen sie in Richtung Ausgang, den Gegenstand hatten sie offenbar dagelassen. Vallerot entschied sich, dem Trio weiter zu folgen, und rief Baltasar an, um ihm eine Ortsbeschreibung zu geben.
    Es hatte einige Überredung gekostet, Bruder Pretorius davon zu überzeugen, ihn zu dem Museumsdorf zu fahren. Baltasar war die Bettelei lästig, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, nachdem Vallerot sein Auto selbst benötigte. Bruder Pretorius interessierte sich nicht für solches »Touristenzeug«, erst der Hinweis, dort stünde eine einzigartige Marien-Wallfahrtskapelle, stimmte ihn um. Die Unterhaltung während der Fahrt war zäh. Baltasar erzählte von seiner Arbeit in der Gemeinde, während sich Bruder Pretorius weitgehend in Schweigen hüllte. Das Brummen des Motors machte Unterhaltungen sowieso schwierig. Überdies verursachte der Fahrstil des Paters Magenschmerzen. Baltasar klammerte sich an einen Handgriff, bis seine Arme wehtaten.
    Sie waren spät dran, die Ausstellung schloss in einer Viertelstunde. Baltasar zog Bruder Pretorius direkt zur Kapelle.
    »Hier ist dieses einmalige Gotteshaus.« Er wusste, er übertrieb maßlos, aber er wollte seinen Gast ablenken. »Schauen Sie es sich ruhig an.«
    »Sieht ganz gewöhnlich aus. Deswegen sind wir hergefahren?« In Pretorius’ Stimme lag Enttäuschung.
    »Ein wunderbares Zeugnis der Frömmigkeit im Bayerischen Wald. Das ist zwar nicht der Kölner Dom, aber immerhin. Schlicht, aber schön. Sie müssen die Details nur mit offenen Augen betrachten.«
    Während der Pater um die Kapelle ging, sah Baltasar sich im Innern um. Die Einrichtung war einfach. Was auffiel, waren mehrere Ständer mit Opferkerzen. Besonders ein Objekt erregte seine Aufmerksamkeit: eine meterhohe Kerze mit zwei gekreuzten Rosen. Baltasar hatte keinen Zweifel: Das war der Gegenstand, den die drei mitgebracht hatten. Standen die verschiedenen Kirchen mit den Marienkindern in Verbindung, nutzte die Gruppe ein Netz von Andachtsorten für ihre verborgenen Zwecke? Baltasar untersuchte die Kerze, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen. Bis er sie aus dem Halter nahm und am Boden nachsah. Tatsächlich klebte auf der Unterseite eine Marke mit Schriftzeichen. Vorsichtig löste er das Papier ab.
    »Was machen Sie da?« Pater Pretorius stand in der Tür. »Das sind geweihte Dinge für die Jungfrau Maria. Es ist ein Frevel, sie wegzunehmen.«
    Baltasar drehte sich um. »Sie stand schief, ich stelle sie gerade hin, damit sie gleichmäßig brennt, ein Dienst für die Mutter Gottes.« Er drehte ihm den Rücken zu, zog den Aufkleber ab und hielt ihn in der Hand verborgen.
    »Erledigt.« Er ließ die Marke in der Tasche verschwinden. »Wollen wir wieder fahren? Ich kenne noch eine weitere Marien-Wallfahrtskapelle.«
    »Wo denken Sie hin? Jetzt, wo wir da sind, werde ich eine kurze Andacht halten. Knien Sie neben mir nieder, Herr Senner.«
    Pater Pretorius betete. Und betete. Und betete. Ständig murmelte er etwas Unverständliches, es war offenbar Latein. Baltasar hielt es nicht länger aus und stieß ihn an. »Es wird Zeit, das Museumsdorf schließt.«
    »Einen Moment noch.« Pretorius holte sein Kreuz heraus und küsste es. »Wenn ich mit der Jungfrau Maria Zwiesprache halte, bin ich immer in seltsamer Stimmung. Wahrlich ein ungewöhnlicher Ort. Gehen wir.«
    »Beten Sie immer in der Sprache der alten Römer?«
    »Selbstverständlich. Latein ist die klassische Sprache des katholischen Klerus. Was über Jahrhunderte richtig war, kann heute nicht falsch sein. Ich finde, das Lob Gottes klingt so viel reiner und aufrichtiger.«
    Sie gingen im Eilschritt zum Ausgang, der Pater blieb jedoch bei den Schafen auf der Weide stehen. Baltasar befürchtete schon, er wollte mit ihnen auch noch eine Andacht zelebrieren, aber Pretorius streichelte sie nur. »Wunderschöne Tiere, das Lamm Gottes, wie es in der Bibel heißt.«
    Amen, fügte Baltasar im Geiste hinzu. Es lagen noch anstrengende Stunden vor ihm, wollte er doch den

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