Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Madl … ich kannte sie. Sie war bei mir, damals, vor zwanzig Jahren. Wollt, dass ich ihr helfe.«
»Wie hieß sie?«
»Eva.«
»Und ihr Familienname, wie lautete der?«
»Weiß ich nicht, hab nie danach gefragt, und sie hat ihn mir auch nicht gesagt.«
»Was hat Eva sonst noch erzählt?«
»Sie war erst einen Tag hier, sagte, sie käme direkt aus Österreich und wolle auch bei uns nicht lange bleiben.«
»Was wollte das Mädchen von Ihnen? Wo hat sie übernachtet? Sie muss doch irgendwo geschlafen haben.«
»Eine Nacht blieb sie bei mir. Ich habe schwer gesündigt, Hochwürden, das zu tun, eine schwere Sünd war’s. Das verzeihe ich mir nie, solange ich lebe. Ich bete zur Jungfrau Maria, sei gnädig zu mir, bete ich, wenn ich mich beim Jüngsten Gericht verantworten muss.« Walburga Bichlmeier weinte. Baltasar versuchte, sie zu beruhigen, sie zeigte jedoch keine Reaktion.
»Ich … Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, Herr Pfarrer, ich kann nicht, ich hab’s versprochen.«
»Wiegt ein Versprechen mehr als ein Verbrechen?«
»Lassen Sie mich. Ich muss erst mit jemandem darüber reden. Geben Sie mir etwas Zeit. Ich muss um Erlaubnis fragen. Dann … Dann können wir uns nochmal unterhalten.« Sie legte den Kopf auf ihre Arme. »Lassen Sie mich, Hochwürden, gehen Sie. Ich muss allein sein.«
31
E s sollte ein Festessen werden. Zumindest hatte sich Teresa das so vorgestellt. Die Premiere ihres Bayerwald-Menüs. Sie war sogar mit Pater Pretorius zur Quelle gegangen, um das ganz besondere Kochwasser zu holen, denn mit dem Segen der Heiligen Jungfrau Maria musste es einfach eine Gaumenfreude werden – Pichelsteiner Eintopf à la Teresa Kaminski. Extra hatte sie eine weiße Tischdecke herausgeholt, Stoffservietten und Weingläser hergerichtet, von Baltasar einige Flaschen »besonders guten Weins, aber nicht zu sauer« geordert.
Pater Pretorius sprach ein Tischgebet auf Latein und segnete die Suppenterrine. Hoffentlich hilft’s was, dachte Baltasar. Er schenkte Wein aus, einen Zweigelt aus einem österreichischen Kloster.
Teresa hob mit einer theatralischen Geste den Deckel ab. »Ist Pichelsteiner, Original aus Bayerischem Wald. Guten Appetit.« Sie füllte die Teller. Der Geruch traf Baltasar wie ein Faustschlag. Ihm schwante Schreckliches. Unter einem Vorwand zupfte er seine Serviette zurecht und wartete, bis Pretorius die ersten Bissen verdaut hatte. So mussten wahrscheinlich die Vorkoster im Mittelalter arbeiten, dachte er.
Pretorius schlürfte zuerst die Brühe. Keine Reaktion. Er nahm den nächsten Löffel, Brühe und etwas Gemüse, und lächelte die Haushälterin an. »Wirklich vorzüglich, Fräulein Teresa, sehr lecker. So schmeckt also der Bayerische Wald.« Er nahm den nächsten Löffel, diesmal mit Fleischbrocken. Er kaute an den Stücken. Teresa lächelte. Er kaute weiter. Kaute immer noch. Seine Kiefer mahlten, die Gesichtsmuskeln traten hervor. Baltasar probierte etwas Brühe. Sie schmeckte scharf, pfeffrig, war aber sonst in Ordnung. Er achtete darauf, kein Fleisch zu erwischen, während sein Gegenüber immer noch kaute.
Baltasar konnte sich einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren, der Himmel möge ihm verzeihen. »Exzellent, nicht?« Er ließ seine Stimme vor Begeisterung vibrieren. »Teresa schafft es immer wieder, ihre Gäste mit ihren Kreationen zu verwöhnen. Stimmt’s, Pater Pretorius?«
Der Angesprochene nickte. Reden konnte er immer noch nicht, sein Gebiss hatte es offensichtlich noch nicht geschafft, die Fleischbrocken zu zerkleinern. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
»Teresa, verraten Sie uns Ihr Rezept. Unser Gast ist sicher begierig darauf zu erfahren, welche Köstlichkeiten Sie zubereitet haben.«
Wieder nickte der Pater. Teresa lächelte ihn an. Er machte Schluckbewegungen, sein ganzer Körper spannte sich, und nach einer kleinen Ewigkeit schien das Essen im Magen gelandet zu sein. Pretorius tat einen tiefen Luftzug und sagte mit letzter Kraft: »Kann ich noch etwas Wein haben?«
»Sie nicht brauchen schüchtern sein, Herr Pater, gerne noch etwas nehmen.« Noch ehe er reagieren konnte, hatte ihm Teresa einen weiteren Schöpflöffel auf den Teller gekippt. »Also ich habe Zwiebeln und Möhren genommen und eine Mischung aus Schweinebauch, Halsgrat vom Ochsen und Hammelfleisch.«
»Teresa, ich wusste gar nicht, dass Hammel zu diesem Rezept gehört.« Baltasar beäugte seine Portion.
»Tut es auch nicht, war aber
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