Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Sonderangebot bei Metzger. Das Fett und die Knorpel geben der Suppe eine besondere Sämigkeit. Hat meine Oma in Polen auch immer so gemacht. Greifen Sie ruhig zu, Herr Pater!«
Baltasar beschränkte sich darauf, die Gemüsestückchen herauszufischen, und sah zu, wie Pretorius unter den unerbittlichen Augen der Köchin einen Löffel nach dem anderen in sich hineinzwängte, nur unterbrochen durch den Griff zum Weinglas. Am Ende hatte er Mitleid mit Pretorius, der auf den Nachtisch verzichtete, eine »bayerische Creme nach der Art des Hauses«, wie Teresa sagte, und schlug vor, zur Verdauung einen Schnaps zu trinken. Er holte einen Obstler, »original aus dem Bayerischen Wald«. Als er Pretorius’ Augen sah, vor Schreck aufgerissen, beruhigte er ihn mit dem Hinweis, das sei das Geschenk eines Freundes.
Den ersten Doppelten leerte der Pater in einem Zug. Den zweiten in zwei Schlucken. »Schmeckt gut.« Er leckte sich die Lippen. »So stelle ich mir den Bayerischen Wald vor. Einen nehm ich noch.« Er ließ das nächste Glas die Kehle hinunterrinnen. Dann folgte ein Rülpser, als sei eine Gasleitung explodiert. »Mea culpa. Entschuldigung, die Dame, mea culpa.« Er hielt sich die Hand vor den Mund, konnte aber nicht verhindern, einen fahren zu lassen. »Oh Gott, Dio mio, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Fräulein Teresa, in nomine patri, ich weiß auch nicht, was mit mir ist.« Er schenkte sich noch ein Glas ein.
Dann berichtete Pater Pretorius von seiner Wallfahrt nach Lourdes, von seiner Wallfahrt nach Fátima, dann wieder von seiner Wallfahrt nach Lourdes und wie er den Papst in Rom gesehen hatte. Er nahm noch zwei Schlucke und begann plötzlich ein lateinisches Lied zu singen. Baltasar glaubte ein Kirchenlied über Engel herauszuhören, nur der Text erschien ihm ziemlich obszön, aber dafür waren seine Lateinkenntnisse zu schlecht. Zwei Gläser später erzählte Pretorius von seiner Wallfahrt nach Rom, wie er den Papst auf der Fátima gesehen und in Lourdes Pichelsteiner Eintopf gegessen hatte.
»Wunder …. Wunder … Wunderschön … Ihr … Menü, Fräulein Teresa.« Pretorius nahm mehrmals Anlauf für jedes Wort. »Sie … Sie sind … eine so begabte Köchin.« Er versuchte, ihre Hand zu tätscheln, rutschte aber aus und stieß sein Glas um. »Oh … mea culpa … das Glas … das arme Glas … Ich hab’s umgebracht.« Er schluchzte. »Jetzt isses leer, das Glas, leer wie der Kelch nach dem Abendmahl.« Er griff nach der Schnapsflasche und leerte den Rest in einem Zug. »Ha … Hall … Halleluja! Geprie … Gepriesen sei Gott in der Höh! Er hat das Ambrosia den Menschen geschenkt, nicht wahr, Fräulein?« Er zog Teresa zu sich her und versuchte, sie zu küssen. »Sie … Sie Engel, Sie! Gott hat … hat Sie geschickt! Vivant omnes virgines! Ist da noch was drin?« Er hielt die Flasche verkehrt herum hoch und fing einige Tropfen mit der Zunge auf.
Teresa versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen. »Ich glaub, jetzt Zeit ins Bett zu gehen, Herr Pretorius. Schon spät.«
»Teresa. Was für … für ein Engelsname! Wie die heilige Maria! Deo gratias, der Allmächtige hat die Engel erschaffen.« Er drückte der Haushälterin einen Kuss auf die Wange. Sie wich zurück. »Der göttliche Odem, Fräulein Engel, mein Odem, Engel zu Mensch, Mensch zu Engel, wie damals Jesus seine Jünger geküsst hat …« Er wischte sich den Mund ab, lehnte sich zurück und fing an »Stille Nacht, heilige Nacht« zu singen. Es klang allerdings mehr wie ein Fünfzigjähriger im Stimmbruch.
»Wo ist mein … mein Engelchen?« Er legte den Arm um Teresas Hüfte, lehnte den Kopf auf ihre Brüste. »Mein Engelchen! Wie im Paradies. Gott, das ist das Paradies! Gloriosus eternam! Ich …« Was immer Pater Pretorius noch sagen wollte, er kam nicht mehr dazu. Ohne Ankündigung kippte er nach hinten und krachte samt Stuhl auf den Boden. Dort blieb er regungslos liegen.
»Lebt er noch?« Teresa beugte sich über ihn und fühlte seinen Puls.
»Nichts Ernstes, nur ein paar Tropfen Alkohol zu viel im Blut. Bloß keine offene Flamme in die Nähe seines Atems bringen. Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen ihn in sein Zimmer befördern.«
Sie packten Pretorius gemeinsam unter den Armen und hoben ihn hoch. »Ist schwerer, als er aussieht.« Es brauchte eine Weile, bis sie ihn auf sein Bett gehievt hatten.
»Sollen wir ihn ausziehen?« Teresa öffnete den obersten Knopf seines Hemdes und streifte ihm die Schuhe
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