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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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sind.«
    Baltasar wartete, bis die beiden die Wohnung verlassen hatten. Dann drehte er um, rannte zur Toilette und hängte leise den Verschluss des Fensters aus.
    »Was ist los, Herr Senner, wir warten auf Sie?«
    Er drückte die Spülung und ließ einige Sekunden verstreichen. »Tut mir leid, ich musste mal.«
    »Konnten Sie nicht warten, bis Sie zu Hause sind?« Mirwald klopfte den Staub von seinem Anzug. »Ihr Priester haltet auch gar nichts mehr aus.«
    38
    D as neue Verbrechen war sofort Gesprächsthema Nummer eins im Ort. Fast jeder hatte Walburga Bichlmeier gekannt, jeder konnte eine Geschichte zu ihrem Leben beitragen, jeder seine eigene Vermutung anstellen, wer die alte Frau umgebracht hatte und warum. Wobei als Favorit die Theorie gefiel, ein Sextäter von auswärts habe sich über das arme Ding hergemacht, ein Durchreisender von München oder gar von Berlin, Städte, wo man öfter von solch schlimmen Dingen hörte. Aber die Spekulationen wechselten fast stündlich. Es konnte auch ein Krimineller aus Tschechien gewesen sein, der auf Raubzug im Bayerischen Wald war und von Frau Bichlmeier dabei überrascht wurde. Oder ein entflohener Massenmörder aus der geschlossenen Abteilung von Mainkofen, einem Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie in der Nähe von Deggendorf.
    Die Regionalausgabe der Tageszeitung widmete sich in einem Aufmacher dem Fall, selbst ein Zitat von Doktor Oliver Mirwald wurde gedruckt: »Die Ermittlungen laufen noch.« Auf der zweiten Seite des Lokalteils fand Baltasar wiederum einen Artikel, für den der Heimatpfleger Emanuel Rossmüller verantwortlich zeichnete. Darin hieß es:
    Seltene Mopsfledermaus bei uns wieder heimisch?
    Mehrere Personen haben unabhängig voneinander ein äußerst rares Lebewesen gesehen. Nach den Beschreibungen handelt es sich um die Mopsfledermaus, wissenschaftlicher Name Barbastella barbastellus, aus der Ordnung der Fledertiere (Chiroptera) und der Familie der Laurasiatheria. Die Mopsfledermaus hat eine dunkelgraue bis schwarze Färbung, ihre Flügel haben eine Spannweite bis zu dreißig Zentimeter, das Gewicht beträgt bis zu fünfzehn Gramm. Charakteristisch für die Mopsfledermaus sind die großen Ohren und die typische Schnauze, die einem Mops ähnelt. Sie kann bis zu zwanzig Jahre alt werden.
    Die Mopsfledermaus lebt an Waldrändern und Waldwegen, ihre Nahrung besteht aus Mücken und Käfern. Die scheuen Tiere sind mittlerweile fast ausgestorben und stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Im Bayerischen Wald wurde die letzten fünfzig Jahre kein Exemplar gesichtet. Umso erfreulicher ist es, dass unsere Region einen solchen »Zuwachs« erfährt. Das belegt auf eindrucksvolle Weise, wie gesund die Natur bei uns im Bayerischen Wald mittlerweile wieder ist.
    Baltasar faltete die Zeitung zusammen und machte sich auf den Weg zur Metzgerei. Teresa hatte ihm einen Einkaufszettel mitgegeben. Sie wollte Kalbsschnitzel probieren, zusätzlich hatte sie Wurstaufschnitt und Schinken aufgeschrieben. Als Treffpunkt für Klatsch und Tratsch war der Laden der Hollerbachs ideal. Mehrere Kunden diskutierten gerade über den Mord, als Baltasar eintrat. Sofort bestürmten sie ihn mit Fragen, was es Neues zu dem Fall gebe, er als Priester müsse doch über solche Dinge Bescheid wissen, außerdem sei er ja am Tatort gewesen mit dem Doktor Knoll. Aus dem sei aber kein Wort herauszubringen, obwohl sich einige extra deswegen bei seiner Sprechstunde angemeldet hatten. Baltasar verwies auf die Kripo in Passau und erklärte, man müsse die Polizei in Ruhe ihre Arbeit machen lassen.
    »Da hat uns aber Gabriele mehr erzählt, Hochwürden.« Lydia Schindler lächelte. »Wir wollen eigentlich von Ihnen eine zweite Version hören.«
    »Genau, noch etwas Fleisch an die Knochen«, sagte ihre Schwiegertochter. »Welche Geheimnisse haben die Kripobeamten noch ausgegraben?«
    »Die werten noch alle Spuren im Labor aus«, antwortete Baltasar. »Erst danach wissen wir mehr.«
    »Gibt es denn überhaupt Spuren?« Gabriele Fink machte ein nachdenkliches Gesicht. »Für mich sah das ziemlich unergiebig aus. Wie sollen da im Dreck noch Hinweise zurückgeblieben sein? So blöd ist kein Mörder.«
    »Man weiß nie«, sagte Christina Schindler. »Und das bei uns, das ist ja spannender als im Fernsehen.«
    »Ich könnte darauf verzichten, Liebes«, sagte Lydia Schindler. »Das Ganze hat etwas Gruseliges. Walburga war schon eine komische Heilige. Ich kann mich noch erinnern, wie sie mir ein Mittel zum

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