Stout, Maria
wahrscheinlich einen entspannten und
sonnengebräunten Luke in der späten Nachmittagssonne Floridas sitzen sah. In
einem Anflug von Neugier neigte sie den Kopf zur Seite und sagte leise: "Der
Arme."
Sydney
fuhr fort: "Das werde ich nie vergessen: 'Der Arme'. Armer Luke. Manchmal
tat er mir auch Leid, trotz meiner Probleme."
Aber in
Wahrheit war die Person, die Sydney geheiratet hatte, keineswegs der 'arme
Luke'; weder war er ein depressiver Erstvater noch befand er sich in einer
schwierigen Lebensphase. Stattdessen war er soziopathisch. Luke hatte kein
intervenierendes Gefühl der Verpflichtung gegenüber anderen Menschen, und sein
Verhalten, wenn auch nicht physisch gewalttätig, reflektierte diese unheilvolle
Tatsache. Für Luke existierten gesellschaftliche Regeln und zwischenmenschliche
Erwartungen nur, um seinem Vorteil zu dienen. Er hatte Sydney erzählt, dass er
sie liebe, und war dann so weit gegangen, sie zu heiraten - vornehmlich, um
sich wohlversorgt in ihrem ehrlich verdienten und komfortablen Leben
einrichten zu können. Er benutzte die liebsten und privatesten Träume seiner
Frau, um sie zu manipulieren, und ihr gemeinsamer Sohn war ein Ärgernis, das
er nur widerwillig hinnahm, weil das Baby ihre Bereitschaft, seine Anwesenheit
zu tolerieren, zu besiegeln schien. Ansonsten ignorierte er sein eigenes Kind.
Bald
begann er, auch Sydney zu ignorieren.
"Es
war, als hätte man einen Untermieter - einen Untermieter, den man nicht
besonders mag und der keine Miete zahlt. Er war einfach irgendwie da. Meistens
haben wir nebeneinander her gelebt. Da waren Jonathan und ich, immer zusammen,
und dann war da Luke. Ich weiß wirklich nicht, was er die ganze Zeit gemacht
hat. Manchmal verschwand er für einen oder zwei Tage. Ich weiß nicht, wo er war
- es war mir nicht mehr wichtig. Oder manchmal hatte er einen Freund zu Besuch,
zum Trinken, immer unangekündigt, was manchmal etwas problematisch war. Und er
hat hohe Telefonrechnungen auflaufen lassen. Aber meistens saß er einfach nur
am Swimmingpool herum oder, wenn das Wetter schlecht war, kam er ins Haus und
sah fern oder spielte Computerspiele. Sie wissen schon, diese Computerspiele
für dreizehnjährige Jungs."
"Oh,
und beinahe hätte ich's vergessen - für ein paar Monate hat er Lithographien
gesammelt. Ich weiß nicht, wie er darauf gekommen ist, aber für eine Weile war
er davon ganz begeistert. Manchmal kaufte er eine - sie waren teuer, das sage
ich Ihnen - und brachte sie nach Hause, um sie mir zu zeigen - wie ein Kind,
als ob alles in Ordnung sei zwischen uns und er wolle, dass ich den Neuzugang
in seiner Kunstsammlung bewundere. Er muss wohl dreißig davon gesammelt haben -
er hat sie nie eingerahmt -, und eines Tages hat er die ganze Sache einfach
aufgegeben. Kein Interesse mehr an Lithographien. Vorbei."
Gelegentlich
zeigen Soziopathen eine kurze, intensive Begeisterung - für Hobbies, Projekte,
Kontakte zu anderen Menschen -, die jedoch unverbindlich und kurzlebig ist.
Solcherlei Interessen scheinen plötzlich und ohne Grund aufzutreten und genauso
wieder zu verschwinden.
"Ich
hatte einen neuen Ehemann und ein neues Baby. Es hätte eine der glücklichsten
Phasen meines Lebens sein sollen, aber es war eine der schlechtesten. Ich kam
von der Arbeit nach Hause, völlig erledigt, und das Au Pair-Mädchen ließ mich
wissen, dass Luke den ganzen Tag lang Jonathan keines Blickes gewürdigt hatte, und
nach einer Weile widerte mein eigener Ehemann mich so sehr an, dass ich nicht
einmal mehr im Schlafzimmer schlafen konnte. Es ist mir peinlich, Ihnen das zu
erzählen, aber ich habe ein Jahr lang in meinem eigenen Gästezimmer geschlafen."
Sydneys
größte Schwierigkeit, als sie mir ihre Geschichte erzählte, bestand in ihrer
schmerzlichen Verlegenheit über das, was ihr widerfahren war. Sie drückte es so
aus: "Sie können sich nicht vorstellen, wie erniedrigend es ist,
einzugestehen, sogar sich selbst gegenüber, einen solchen Menschen geheiratet
zu haben. Und ich war auch kein Kind mehr, als ich das getan habe. Ich war
schon fünfunddreißig, und ganz abgesehen davon war ich bereits mehrfach um die
Welt gereist. Ich hätte es besser wissen müssen. Aber ich habe es einfach nicht
vorausgesehen. Ich habe es in keiner Weise gesehen, und, das muss ich mir
allerdings zugute halten, auch kein anderer in meinem Umfeld hat es
vorausgesehen, glaube ich. Heute sagen mir alle, sie hätten sich niemals
vorstellen können, dass er sich so verhalten würde. Und
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