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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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jeder hat eine andere
Theorie darüber, 'was mit Luke nicht stimmt'. Wenn es nicht so peinlich wäre,
müsste man lachen. Diverse Freunde haben beschlossen, es sei irgendetwas
zwischen Schizophrenie und einem Aufmerksamkeitsdefizit - können Sie sich das
vorstellen?"
    Es ist
nicht überraschend, dass keine einzige Person vermutet hat, dass Luke einfach
kein Gewissen hat und deswegen seine Verpflichtungen gegenüber seiner Frau und
seinem Kind ignorierte. Lukes Verhaltensmuster passt nicht zu den
Vorstellungen, die man von Soziopathie hat, auch nicht von nicht-gewalttätiger
Soziopathie, denn Luke - wenn er auch einen hohen IQ hatte - war im
Wesentlichen passiv. Er hat niemandem die Kehle durchgeschnitten, weder
wörtlich noch im übertragenen Sinne, bei dem Versuch, Macht oder Wohlstand zu
erlangen. Er war kein skrupelloser Manager und mit Sicherheit kein dynamischer
Überredungskünstler wie Skip. Er hatte nicht einmal genug Energie, um einen
gewöhnlichen Heiratsschwindler abzugeben, oder genug physischen Mut, um Banken
(oder Postämter) auszurauben. Er war nicht aktiv, sondern letztlich ein
lethargischer Mensch. Sein Hauptinteresse bestand darin, untätig zu sein,
Arbeit zu vermeiden und sich von anderen einen komfortablen Lebensstil ermöglichen
zu lassen, und er strengte sich gerade genug an, um dieses fragwürdige Ziel zu
erreichen.
    Und woran
hat Sydney dann schließlich seine Skrupellosigkeit erkannt? Am Betteln um
Mitleid.
    "Selbst
nach dieser wirklich hässlichen Scheidung hing er immer noch im Haus herum, und
zwar fast jeden Tag. Er besorgte sich wieder eine schäbige kleine Wohnung, wo
er auch immer übernachtete; aber tagsüber hing er in meinem Haus herum. Ich
weiß inzwischen, dass ich es nicht hätte zulassen dürfen, aber er tat mir Leid,
und außerdem schenkte er Jonathan ein bisschen mehr Beachtung. Wenn er aus dem
Kindergarten kam, holte Luke ihn manchmal sogar vom Bus ab, begleitete ihn nach
Hause und übte mit ihm schwimmen oder dergleichen. Ich habe nichts für den Mann
empfunden. Ich wollte ihn wirklich nicht mehr sehen, aber ich hatte auch keinen
neuen Freund - wie hätte ich wohl einem anderen Mann vertrauen können? Und ich
dachte, es wäre gut für Jonathan, wenn er seinen Vater kennen lernen und etwas
Zuwendung von ihm bekommen würde. Ich dachte, es wäre den Ärger wert, wenn mein
Kind wenigstens zeitweise einen Vater haben könnte."
    "Nun,
das war ein Fehler. Meine Schwester war es, die mir das klargemacht hat. Sie
hat gesagt: 'Luke hat keine Beziehung zu Jonathan. Er hat eine Beziehung zu
deinem Haus.' Meine Güte, wie Recht sie doch hatte. Aber dann konnte ich ihn
nicht loswerden. Die Lage wurde immer schlimmer und komplizierter und ...
unheimlich. Es war richtig unheimlich."
    Sie
schauderte, holte tief Luft und fuhr fort.
    "Als
er - Jonathan - in die erste Klasse ging, wurde mir klar, dass wir Luke
loswerden mussten, und zwar endgültig. Wir hatten einfach keinen Frieden -
also, wie soll ich sagen ... keine Freude. Wenn sich jemand so gar nicht für
einen interessiert, dann raubt es einem den Frieden und die Freude am Leben,
wenn er ständig da ist. Er tauchte einfach immer wieder auf. Er kam ins Haus
oder ging hinaus an den Pool und machte es sich bequem, als ob er immer noch
dort wohnen würde, und ich bekam schlechte Laune und wurde angespannt. Ich
blieb im Haus und ließ die Jalousien herunter, so dass er nicht in meinem
Blickfeld war. Es war verrückt. Dann merkte ich, dass Jonathans Stimmung sich
auch verschlechterte. Eigentlich wollte auch er Luke nicht da haben."
    "Und
so begann ich, ihn aufzufordern zu gehen. Also, wenn ich bei jemandem zu Gast
wäre und man würde mich auffordern zu gehen, dann würde ich gehen - Sie nicht
auch? -, und sei es nur um meiner eigenen Würde willen. Aber Luke nicht. Er tat
so, als hätte er mich nicht gehört, was schon ziemlich unheimlich war, oder er
ging für eine Weile und kam dann wieder, als sei nichts geschehen. Und dann bin
ich richtig wütend geworden, und anstatt ihn nur zu bitten zu gehen, habe ich
ihn angeschrieen, endlich zu verschwinden, und gedroht, die Polizei zu rufen.
Und wissen Sie, was er dann gemacht hat?"
    "Er
hat Jonathan benutzt", sagte ich.
    "Genau.
Woher haben Sie das gewusst? Er hat Jonathan benutzt. Zum Beispiel waren wir
einmal draußen am Pool, wir alle drei, und Luke fing an zu weinen. Der Mann
ließ richtige Tränen fließen. Und dann, ich erinnere
mich, nahm er den Kescher, mit dem wir Blätter und Insekten aus

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