Stout, Maria
ist.
Ein
winziges Beispiel: Falls Skip, der Amerikaner, in eine stark buddhistisch oder
schintoistisch geprägte Kultur hineingeboren worden wäre, hätte er all die
Frösche umgebracht? Vielleicht - oder vielleicht auch nicht. Sein Gehirn wäre
dasselbe gewesen, aber seinen Mitmenschen wäre die Achtung vor dem Leben zwingend
gewesen. Jeder Mensch in seiner Welt hätte dieselbe Haltung an den Tag gelegt,
seine wohlhabenden Eltern, seine Lehrer, seine Spielkameraden und vielleicht
sogar die Prominenten, die er im Fernsehen gesehen hat. Skip wäre immer noch
Skip gewesen. Er hätte keine Achtung verspürt vor den Fröschen, kein Schuldbewusstsein,
wenn er sie umbrachte, keinen Ekel, aber vielleicht hätte er es doch
unterlassen, weil ihm seine Kultur eindeutig eine Lektion erteilt hätte, wie
man sich zu verhalten hat. Eine Lektion vergleichbar mit guten Tischmanieren,
die sein völlig adäquater Intellekt verstanden hätte. Soziopathen interessieren
sich nicht für ihr soziales Umfeld, aber sie spüren den Willen und die Notwendigkeit,
sich darein zu fügen.
Natürlich
unterstelle ich, dass unsere eigene Kultur einem Kind wie Skip beibringt, dass
es kleine Tiere quälen und trotzdem relativ unauffällig unter uns leben kann.
Ich meine, dass das eine leider zutreffende Beurteilung unserer gegenwärtigen,
beklagenswerten Situation ist.
Krieger
Aus Sicht
der menschlichen Gesellschaft als Ganzes, über alle Kulturen hinweg: Hat das
Fehlen von Anteilnahme und die Abwesenheit eines Gewissens auch Aspekte, die
man als positiv oder zumindest nützlich ansehen könnte? Zufällig gibt es, von
einem bestimmten Standpunkt aus gesehen, einen solchen Aspekt. Sei das Opfer
ein Frosch oder ein Mensch: Soziopathen können töten, ohne Gewissensqualen
auszustehen; daher geben Menschen, die kein Gewissen haben, hervorragende, von
keinerlei Zweifeln geplagte Krieger ab. Und fast alle Gesellschaften - seien
sie nun buddhistisch, schintoistisch, christlich oder rein kapitalistisch
geprägt - führen Kriege.
Wir können
uns Soziopathen in gewissem Maße als von der Gesellschaft geformt und
unterstützt vorstellen, denn Nationalstaaten brauchen immer wieder kaltblütige
Killer, vom anonymen Infanteristen bis hin zu den Eroberern, die
Menschheitsgeschichte geschrieben haben und weiterhin schreiben. Soziopathen
sind furchtlose und überlegene Krieger, 51 Scharfschützen, aus dem
Hinterhalt operierende Attentäter, Spezialagenten, V-Männer und Einzelkämpfer,
da sie nicht von Entsetzen gepackt werden, wenn sie töten (oder wenn sie
Tötungsbefehle geben) und keine Schuldgefühle haben, nachdem die Tat
vollbracht ist. Die allermeisten Menschen - der größte Teil unserer Armeen -
können nicht so gefühllos sein, und wenn sie nicht sorgfältig konditioniert
werden, geben die meisten normalen Menschen bestenfalls viertklassige Killer
ab, selbst wenn das Töten anderer Menschen als notwendig erachtet wird. Jemand,
der einem anderen Menschen in die Augen sehen und ihn kaltblütig erschießen
kann, ist ungewöhnlich - und im Krieg sehr nützlich.
So seltsam
es klingen mag - gewisse Taten sind dermaßen emotional bankrott, dass sie das
Fehlen eines Gewissens erfordern, so wie Astrophysik Intelligenz erfordert und
Kunst Begabung. Über Krieger, die ohne Gewissen operieren können, schreibt
Oberstleutnant Dave Grossman in seinem Buch On Killing: "Ob man sie nun Soziopathen, Bluthunde, Krieger oder Helden
nennen will - es gibt sie; sie sind eine klar abgegrenzte Minderheit, und in
Zeiten der Gefahr werden sie von einer Nation verzweifelt gebraucht."
Aber im
eigenen Land zahlen eben diese Nationen einen versteckten Preis für den Ruhm,
den sie ihren eiskalten Killern des Schlachtfelds verleihen. Die Laufbahn zu
diesem Ruhm bleibt nicht unbemerkt von anderen, die ein besonderes Talent für
skrupelloses Töten haben, anderen, die nie hinter den feindlichen Linien ihr
Werk verrichten werden. Diese selbsternannten Helden bleiben daheim, unter uns,
weitgehend unerkannt. Von Rambo bis Bagdad ist die Glorifizierung des Tötens -
die Verherrlichung des schwersten Verstoßes gegen ein normales Gewissen - ein
beständiges Merkmal unserer vorherrschenden Kultur gewesen und mag durchaus
der bei weitem schädlichste Einfluss der Umwelt auf anfällige soziopathische
Charaktere unter uns sein. Ein Mensch mit einem solchen Charakter wird nicht
notwendigerweise töten - wenn er aber doch zum Täter wird, ist er nicht immer
der Mensch, für den man ihn
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