Stout, Maria
betrat das Schlafzimmer seines dreijährigen Sohnes, um
festzustellen, dass er soeben das neu erworbene Kätzchen aus dem Fenster
geschleudert hatte. Oder Eltern in Texas mussten sich schließlich eingestehen,
dass sie ihren fünfjährigen Adoptivsohn nicht davon abbringen konnten, seine
Tage damit zu verbringen, in eine Ecke zu starren, und dass er manchmal mitten
in der Nacht, wenn sie schliefen, ihre anderen Kinder brutal attackierte.
Westeuropa und Nordamerika hatten einen Albtraum an Beziehungsstörungen importiert,
heraufbeschworen durch einen sadistischen rumänischen Soziopathen, der nicht
einmal mehr am Leben war. Nachdem ihnen als Säugling eine Bindung gänzlich
vorenthalten worden war, konnten viele dieser geretteten Kinder keine Liebe
empfinden.
Im Juni
2001 erließ die neue Führung Rumäniens ein Verbot von Auslandsadoptionen, nicht
etwa aus humanitären Erwägungen, sondern aus politischen und finanziellen
Gründen. Die Europäische Union hatte kurz zuvor verkündet, dass das verarmte
Rumänien mit seinem Strom von Waisen ein "Marktplatz für Kinder"
geworden sei und dass eine Mitgliedschaft Rumäniens in der florierenden Union
von fünfzehn Nationen wohl nicht erreicht werden könne, solange die "politisch
inkorrekten" Adoptionen ins Ausland anhielten. Während ich dies schreibe,
leben immer noch mehr als vierzigtausend Kinder - die Bevölkerung einer kleinen
Stadt - in Anstalten der Republik Rumänien, die sich um eine EU-Mitgliedschaft
im Jahr 2007 bemüht.
Seit das
Leiden der rumänischen Waisen bekannt geworden ist, haben Psychologen verstärkt
überlegt, ob eine Beziehungsstörung die umweltbedingte Ursache der Soziopathie
sein könnte. Die Ähnlichkeiten liegen auf der Hand: Kinder, die unter einer
Beziehungsstörung leiden, sind impulsiv und gefühlskalt und manchmal
bedrohlich gewalttätig gegenüber ihren Eltern, Geschwistern, Spielkameraden und
Haustieren. Sie neigen zu Diebstahl, Vandalismus und Zündelei, und häufig
trifft man sie - wie Soziopathen - als Jugendliche in Erziehungsanstalten und
als Erwachsene im Gefängnis an. Und Kinder mit schweren Beziehungsstörungen
sind die einzigen Kinder, die auf uns fast so fundamental beängstigend wirken
wie junge Soziopathen.
Diese
Ähnlichkeiten sind in vielen Ländern der Welt festgestellt worden. In der
Kinderpsychiatrie skandinavischer Länder 46 wird zum Beispiel eine
Störung, die als "frühe emotionale Frustration" bezeichnet wird, auf
einen Mangel an gegenseitiger Bindung zwischen Mutter und Kind zurückgeführt.
In Skandinavien wird diese Diagnose (frühe emotionale Frustration) als
Anzeichen einer überdurchschnittlich hohen Wahrscheinlichkeit angesehen, bis
zum Erwachsenenalter eine soziopathische Persönlichkeitsstörung zu entwickeln.
Frühe emotionale Frustration geht statistisch mit Faktoren einher, die die
Mutter-Kind-Bindung erschweren, wie zum Beispiel eine zu frühe Geburt, ein sehr
niedriges Geburtsgewicht oder Drogenmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft.
Der Aufbau
solcher Studien hat allerdings gewisse systematische Schwächen. So könnten
gewisse Faktoren, wie zum Beispiel Drogenmissbrauch der Mutter während der
Schwangerschaft, durchaus soziopathische Mütter implizieren, womit man dann
wieder zu einer genetischen Erklärung käme. Aber das Hauptproblem der
Gleichsetzung von Beziehungsstörung und Soziopathie sind, trotz der
verlockenden wissenschaftlichen Gemeinsamkeiten der beiden, ihre beständigen
und nicht zu bestreitenden Unterschiede hinsichtlich
der bestimmenden Merkmale der Soziopathie. Im Gegensatz zu Soziopathen sind
Kinder und Erwachsene, die unter einer Beziehungsstörung leiden, nur selten
charmant oder sozial geschickt. Im Gegenteil, diese bedauernswerten Menschen
sind für gewöhnlich nicht sonderlich sympathisch und bemühen sich kaum,
Normalität "vorzutäuschen". Viele von ihnen sind Einzelgänger. Ihr
emotionaler Auftritt ist flach und unattraktiv, ja, zuweilen regelrecht
feindselig, und sie neigen dazu, zwischen den wenig attraktiven Extremen von
streitlustigem Desinteresse und unerfüllbarer Bedürftigkeit zu pendeln. Nichts
von alledem ermöglicht die chamäleonartigen Manipulationen und Hochstapeleien
eines Soziopathen mit seinem falschen Lächeln und entwaffnenden Charisma oder
den zeitweiligen Erfolg in der materiellen Welt, den ein geselliger Soziopath
häufig erzielt.
Viele
Kliniker und Eltern haben berichtet, dass soziopathische Kinder es ablehnen,
innige Beziehungen mit
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