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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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Die absolute
Egozentrik von Soziopathen schafft ein individuelles Bewusstsein, das für
jedes kleine Wehwehchen und Ziepen des Körpers überaus sensibel ist, für jeden
flüchtigen Schmerz in Kopf oder Brustkasten. Und Ohren, die sehr begierig und
besorgt jeder Sendung in Radio und Fernsehen lauschen, die von Ungeziefer,
Umweltgiften oder ähnlichem Ungemach berichtet. Da seine Sorge und sein
Bewusstsein ausschließlich auf ihn selbst gerichtet ist, leidet der Mensch ohne
Gewissen manchmal unter quälenden hypochondrischen Reaktionen, 70 gegen die selbst der quengeligste Neurotiker rational wirkt. Eine kleine
Verletzung durch eine Papierkante ist ein gravierendes Ereignis, und ein Herpesbläschen
ist der Anfang vom Ende.
    Das
vielleicht bekannteste Beispiel der Obsession des Soziopathen mit seinem
Körper ist Adolf Hitler, der Zeit seines Lebens ein Hypochonder war und
panische Angst hatte, an Krebs zu erkranken. 71 In dem Versuch, den
Krebs in Schach zu halten und um eine lange Liste anderer eingebildeter
Krankheiten zu heilen, schluckte er "Heilmittel", die von seinem
bevorzugten Leibarzt Dr. Theodor Morell eigens für ihn zusammengebraut wurden.
Viele seiner Tabletten enthielten halluzinogene Gifte, und so vergiftete sich
Hitler allmählich selbst, bis er tatsächlich krank wurde. Wahrscheinlich aus
diesem Grunde wurde ein - reales - Zucken seiner rechten Hand immer
auffälliger, und ab Mitte 1944 verbot er Filmaufnahmen von sich.
    Manchmal
verwenden Soziopathen ihre Hypochondrie als Strategie zur Vermeidung von
Arbeit. Gerade geht es ihnen noch gut; aber dann wird es Zeit, Rechnungen zu
bezahlen oder sich einen Job zu suchen oder einem Freund beim Umzug zu helfen,
und plötzlich haben sie Schmerzen im Brustkasten oder fangen an zu humpeln. Und
eingebildete gesundheitliche Probleme und Gebrechen tragen einem oft eine
bevorzugte Behandlung ein, zum Beispiel den letzten Sitzplatz in einem
überfüllten Raum.
    Durchweg
besteht Abneigung gegen beständige Leistung und strukturierte Projekte, und
natürlich steht diese Vorliebe für Müßiggang einem Erfolg in der realen Welt
sehr im Wege. Tag für Tag morgens aufzustehen und für lange Stunden zu arbeiten
wird fast nie ernsthaft in Betracht gezogen. Soziopathen ziehen ein
Betrugsmanöver, den schnellen "Deal" oder eine geschickte Intrige bei
weitem dem täglichen Engagement im Beruf, einem langfristigen Ziel oder einem
Plan vor. Selbst wenn Soziopathen in hochrangigen Jobs angetroffen werden, sind
das in der Regel Positionen, in denen sich das tatsächlich (oder auch nicht)
vollbrachte Pensum an harter Arbeit leicht verschleiern lässt oder in denen
sich andere so manipulieren lassen, dass sie die Arbeit verrichten. In einem
solchen Rahmen kann bisweilen ein cleverer Soziopath durch vereinzelte,
spektakuläre Leistungen die Dinge am Laufen halten oder durch Schmeichelei und
Charme oder Einschüchterung. Er stellt sich als abwesender Verantwortlicher
oder als "Regenmacher" oder das unersetzliche "kapriziöse Genie"
dar. Er braucht häufig Urlaub oder Auszeiten, in denen seine tatsächlichen
Aktivitäten etwas undurchsichtig bleiben. Beständige Arbeit, der wahre
Schlüssel zu dauerhaftem Erfolg - Beharrlichkeit, Verlässlichkeit, Sorgfalt -,
schmeckt zu sehr nach Verantwortung.
    Leider
gelten diese einschränkenden Faktoren auch für jene Soziopathen, die mit
besonderen Begabungen und Talenten geboren wurden. Zu intensiver Hingabe und
täglicher Arbeit, die notwendig wären, um seine Kunst, Musik oder ein
beliebiges anderes kreatives Projekt zu entwickeln und zu vermarkten, ist ein
Soziopath gewöhnlich nicht fähig. Wenn Erfolg zufällig erreicht werden kann,
mit nur sporadischem Einsatz, dann vielleicht; wenn aber die Kunst einen
stetigen persönlichen Einsatz verlangt, dann ist sie verloren. Letztlich hat
ein Mensch ohne Gewissen das gleiche Verhältnis zu seinen eigenen Begabungen
wie zu anderen Menschen: Er vernachlässigt sie.
    Und
Soziopathie ist fast immer ein Solo-Programm, eine weitere Strategie, die
gelegentlich für eine gewisse Zeit funktionieren mag, aber nur selten auf lange
Sicht. Da sie beharrliche Egoisten sind, haben Menschen ohne Gewissen keinen
Teamgeist. Der Soziopath kümmert sich nur um sich selbst. Im Umgang mit anderen
Menschen oder einer Gruppe probiert er es zunächst mit Lüge, Schmeichelei und
Einschüchterung. Diese Erfolgsstrategien sind sehr viel dürftiger und
kurzlebiger als echte Beziehungen, Führung und persönlicher Einsatz.

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