Sträfliche Neugier
daran
erinnern, dass dieser Fall noch eine Zeit lang die Gemüter bewegte und von der
Klatschpresse ziemlich aufgebauscht wurde. Angeblich hätten sich die Eltern des
vermissten Jungen damit abgefunden, dass man die weitere Suche einstellte.
Allein seine Schwester sei davon überzeugt gewesen, dass es nicht der Leichnam
ihres Bruders war.«
Markus holte tief Luft: »Ich werde mich morgen bei der
Polizei melden. Davor graust mir zwar, aber es muss wohl sein. Jetzt brauche
ich erst einmal etwas Ruhe, um das alles zu verdauen.«
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35
Der Retter
A m
nächsten Morgen läutete das Telefon. Susanne nahm den Hörer ab. Am Apparat
meldete sich der Polizeihauptmeister Döring: »Kann ich Herrn Doktor Markus
Mayrhöfer sprechen?«
»Um was geht es denn bitte? Mein Mann hat gerade
Sprechstunde und ist derzeit unabkömmlich.«
»Dann richten Sie ihm bitte aus, dass er umgehend
vorbeikommen soll, es geht um seine wahre Identität.«
»Sie werden es nicht glauben, aber mein Mann wollte sich
ohnehin heute Nachmittag bei Ihnen melden. Aber gut, dass Sie anrufen, dann
erfahre ich gleich, wohin genau er sich wenden muss.«
Der Beamte nannte dann die Anschrift des Polizeireviers und
die Telefonnummer des zuständigen Kollegen.
Nach dem Mittagessen fuhr Markus zu der genannten Adresse.
Er hatte ein mulmiges Gefühl, als er den Klingelknopf an der Pforte betätigte
und eine barsche Stimme nach dem Grund seines Kommens fragte. Markus antwortete
ins Mikrofon, worauf die Tür aufsprang. Er wurde in ein Besprechungszimmer
geführt, wo ihn ein Polizeikommissar Wernecke empfing.
»Nehmen Sie bitte Platz!« Höflich bot ihm der Beamte den
Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch an. »Herr Doktor Mayrhöfer, wie Sie wohl
aus den Nachrichten erfuhren, fand man kürzlich unter einer Donaubrücke eine
alte Geldbörse mit einem Schülerausweis. Dieser ist auf den Namen Robert Abel
ausgestellt. Das war ein Schüler, der vor vierzehn Jahren spurlos verschwand.
Wir sind nun überzeugt, dass Sie dieser Schüler sind. Sie wurden genau
dort besinnungslos und schwer verletzt von dem Ehepaar Mayrhöfer entdeckt.
Aufgrund eines Aufrufs an die Bevölkerung meldete sich inzwischen der Fahrer
eines Lieferwagens, ein Herr Xaver Merz, der uns einige recht interessante
Hinweise gab.«
Kommissar Wernecke machte eine kurze Pause und warf einen
neugierigen Blick auf sein Gegenüber.
Markus hatte interessiert zugehört und sagte dann:
»Ja, ich habe den Aufruf in der Tagesschau gesehen, und es
wundert mich sehr, dass sich nach so langer Zeit noch jemand meldet, der damals
eine Beobachtung gemacht haben will. Das hat mich davon überzeugt, der
vermisste Robert Abel zu sein, denn während der Sendung schloss sich plötzlich
meine Erinnerungslücke. Nur kann ich mir bis heute nicht erklären, auf welche
Weise ich schwer verletzt bis ans Donauufer gelangen konnte.«
»Dieser Herr Merz«, fuhr der Beamte fort, »ist ein
inzwischen siebzigjähriger Rentner, der vielleicht Klarheit in Ihren Fall
bringen kann. Er hatte damals auf dem Münchner Oktoberfest verschiedene
Verkaufsbuden mit Lebkuchenherzen und sonstigen Leckereien beliefert, dann noch
im Löwenbräu-Bierzelt gesessen und ein halbes Hendl verzehrt. Gegen Mitternacht
hatte er mit Freunden in einem Lokal auf der Theresienhöhe etwas getrunken,
doch keinen Alkohol, wie er uns versicherte. Aber hier, lesen Sie am besten
selbst, was er zu Protokoll gab. Er überreichte Markus das Schriftstück:
Gegen zwei Uhr nachts habe ich mich dann in meinen
Lieferwagen gesetzt, um die Heimreise anzutreten. Da ist auf einmal ein Junge
auf der Straße gestanden, der hat mir durch Winken angedeutet, dass er
mitgenommen werden möchte. Ich habe gern angehalten in der Hoffnung, auf der
langen Heimfahrt etwas Gesellschaft zu haben. Ich habe den Jungen gefragt,
wohin er denn wolle. Er hat nur gestammelt, er war aber nicht betrunken,
sondern wirkte auf mich wie jemand mit Sprachbehinderung. Da sah ich auf einmal
eine große Wunde an seinem Kopf, alles war voller Blut. Ich wollte schon wieder
die Wagentür zumachen und davonfahren, doch der so unendlich traurige Blick des
Burschen hat mich gerührt, und ich sagte zu mir: ›Nein, den kannst hier nicht
stehen lassen‹. Ich holte also den Verbandskasten hinten aus dem Wagen, habe
die Wunde vorsichtig gesäubert und so gut ich konnte verbunden.
Ich fragte dann: ›Soll ich dich ins Krankenhaus
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