Sträfliche Neugier
seiner Verletzungen erklären, noch auf welche Weise er
ans Donauufer gelangte. Zu gern hätte er gewusst, woher er stammte und wer
seine Eltern waren.
»Sollte dir noch etwas einfallen, dann lass mich das bitte
wissen. Ich will dir doch helfen! Aber hilf auch du mir bitte dabei,
herauszufinden, wer du bist und woher du kommst. Hier hast du meine Karte, die
gib bitte den Schwestern, sie können mich dann benachrichtigen.« Damit verließ
ihn die junge Polizeibeamtin.
Während der polizeilichen Vernehmungen durften keine
anderen Personen mit Markus reden, ausgenommen die weißen Frauen , die
Markus inzwischen als Krankenschwestern erkannte.
Danach besuchten ihn jeden Abend die Mayrhöfers. Für den
jungen Mann wurden sie bald zu Vertrauenspersonen und allmählich entwickelten
sich beiderseitige Sympathien. Markus freute sich immer auf diesen Besuch und
konnte es kaum erwarten, dass die Tür aufging und sie sich an sein Bett
setzten. Werner Mayrhöfer erklärte dem Jungen, dass er eine unschöne Narbe im
Gesicht behalten würde.
Wie immer las das Ehepaar Mayrhöfer beim Frühstück die
Tageszeitung.
»Das ist ja interessant!«, sagte Werner und sah seine Frau
an. »Die schreiben hier was von einem Jungen, der auf dem Münchner Oktoberfest
spurlos verschwand. Erinnerst du dich noch an die Plakate mit dem Bild des
Buben, die vor einiger Zeit überall herumhingen? Wir dachten damals, das es
sich dabei um unseren Markus gehandelt haben könnte, aber es bestand keinerlei
Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Jungen auf den Fotos. Und dass er tatsächlich nicht unser Markus ist, steht hier nun schwarz auf weiß:«
Gestern fanden Pilzsammler im Forstenrieder Park bei
München eine bereits stark verweste männliche Leiche. Eine genaue
Identifizierung war deshalb nicht mehr möglich. Die Todesursache konnte noch
nicht geklärt werden. Polizei und Staatsanwaltschaft sind aber davon überzeugt,
dass es sich um den 15-jährigen Schüler Robert Abel handelt, der bereits seit
einigen Wochen vermisst wird, seitdem er während eines Oktoberfestbesuchs
spurlos verschwand .Wie zu erfahren war, wurde in Abstimmung mit seinen Eltern
die weitere Suche nach ihm eingestellt.
Waltraud hatte aufmerksam zugehört und sagte: »Das ist ja
furchtbar! Mein Gott, was müssen die armen Eltern durchgemacht haben!
Jedenfalls steht wohl nun fest, dass Markus von niemandem vermisst wird, denn
sonst wären wir bestimmt darüber informiert worden. Die Behörden wissen
schließlich, dass wir den Jungen aufgefunden haben und ständigen Kontakt zu ihm
pflegen. Aber über seine Herkunft hätte ich schon gern etwas gewusst.«
Die Mayrhöfers hatten keine eigenen Kinder. Waltraud hatte
bereits mehrere Fehlgeburten, danach konnte sie keine Kinder mehr bekommen. Als
sie eines abends von der Klinik nach Hause zurückfuhren, meinte sie:
»Wie wäre es, wenn wir den Jungen bei uns aufnähmen? Das
ist doch ein ganz lieber Bengel, und wo wir selber keine Kinder haben, könnte
er bei uns wohnen. Genügend Platz hätten wir jedenfalls.«
»Hm, komisch, daran hatte ich auch schon gedacht.«
Werner Mayrhöfer konzentrierte sich auf den starken
Verkehr, dann fuhr er fort:
»Wenn ich nur wüsste, woher der Junge stammt! Dass wir uns
nur keinen Ärger einhandeln, so ein fremdes Kind einfach aufzunehmen!
Andererseits stimme ich dir zu, wir könnten ihn bei uns wohnen lassen, bis er
vielleicht doch eines Tages zu seiner Familie zurückfindet. Fragen wir ihn doch
einfach, ob er zu uns ziehen mag!«
Dem jungen Patienten ging es von Tag zu Tag besser, und der
Zeitpunkt der Entlassung rückte immer näher. Er konnte schon vorsichtige
Schritte wagen und besuchte sogar an einem Sonntagnachmittag zusammen mit den
Mayrhöfers die kleine Cafetería des Krankenhauses. Sie fanden einen freien
Tisch, und nachdem sie sich mit Getränken und Kuchen versorgt hatten, brachten
es die Mayrhöfers auf den Punkt.
»Sag mal, wohin willst du eigentlich nach deiner Entlassung
gehen?«, fragte Waltraud Mayrhöfer vorsichtig.
»Keine Ahnung, irgendwohin halt«, war die Antwort des
Jungen.
»Pass mal auf!«, sagte nun Werner Mayrhöfer, »was hältst du
davon, wenn wir dich für eine Weile mit zu uns nähmen? Wir haben genug Platz
für dich, und du könntest bei uns so lange bleiben, bis dich deine Eltern
gefunden haben.«
»Meine Eltern? Habe ich überhaupt noch welche?« Markus
schien überrascht zu sein und biss sich auf die Lippen. Dann sagte er: »Na ja,
wenn ich
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