Sträfliche Neugier
sagte:
»Warum machten die Geschwister Berger aus allem ein solches
Geheimnis? Wir hätten ihnen die Schatulle doch überlassen, wenn sie uns darum
gebeten hätten.«
»Auch ich hatte das Max geraten.« Tim war jetzt wesentlich
ruhiger, da man ihm keine Vorwürfe mehr machte. »Aber Max und Claudia scheuten
sich, Sie darum zu bitten. Beide hatten nämlich ein schlechtes Gewissen, weil
sie sich nach dem Tod des Doktor Curtius die Schatulle angeeignet hatten. Nun
meinte dessen Schwester, dass sich darin Bargeld und Wertpapiere befanden. Aber
Max und Claudia wussten, dass die Schatulle nichts außer diesen sonderbaren
Substanzen enthielt, von denen sie später aus purem Leichtsinn gekostet hatten.
Sie befürchteten daher, dass man ihren Erzählungen nicht glauben und sie des
Diebstahls verdächtigen würde.«
»Nun gut, wenn Sie also die Schatulle besitzen, dann kommen
auch Sie morgen Vormittag hierher, sagen wir um 10 Uhr. Die Schatulle bringen
Sie dann bitte mit.«
Tim versprach, pünktlich zu erscheinen und verabschiedete
sich.
Ludwig Herzog wählte die Nummer der Bergers. Claudia war am Apparat.
»Claudia? Hier
spricht Ludwig Herzog. Du wirst dich hoffentlich noch an mich erinnern. Es sind
jetzt wohl fünf Jahre her, seit du und Max nach dem Tod eurer Eltern häufig bei
uns wart.«
»Ach, Herr Herzog!« Claudias Stimme klang freudig erregt.
»Das ist ja eine Überraschung, mal wieder Ihre Stimme zu hören! Ich dachte
schon, Sie hätten uns ganz vergessen.«
»Nein, Claudia, ganz bestimmt nicht, aber wie das halt so
ist in einem Geschäftshaushalt, man hat für so manche persönliche Kontakte
einfach keine Zeit mehr. Und dann habe ich mich auch wieder verheiratet. Aber
ich rufe heute aus einem anderen Anlass an: Ich muss nämlich Max sprechen, ist
er zu Hause?«
»Ja, er kam heute morgen aus der Klinik zurück, er hatte
einen kleinen Unfall.«
»O, das tut mir leid.« Ludwig wollte noch nicht verraten,
dass er das bereits wusste. »Kann ich ihn mal kurz sprechen?«
»Er hat sich gerade hingelegt, ist doch noch etwas
angegriffen, aber soll ich ihm was ausrichten?«
»Ja, sag ihm bitte, dass ich ihn morgen Vormittag um 10 Uhr
erwarte. Ich muss ihn dringend sprechen. Und wenn du Zeit hast, dann komm bitte
mit.«
»Ich denke, das wird sich machen lassen«, antwortete
Claudia. »Dann sehen wir uns also morgen!«
Abends besprachen Eltern Herzog alles in Beisein von Thomas
und Beate. Als die Rede auf die Schatulle kam, erklärte Tom:
»Mittwochabend hatten Beate und ich im Dachgeschoss
Geräusche gehört und kurz darauf einen hinkenden Mann beobachtet, der aus dem
Nebenhaus kam und was am Arm trug. Und jetzt muss ich euch was gestehen: Ich
hatte neulich in der Dachkammer da oben herumgestöbert und eine silbrige
Schatulle entdeckt, die ganz ähnlich aussieht wie die auf Mamas Frisiertisch.
Aber sie war verschlossen, ich konnte sie nicht aufmachen. Als wir am nächsten
Morgen überall nachschauten, ob uns was gestohlen wurde, fehlte diese
Schatulle. Die hatte bestimmt dieser Mann mitgehen lassen. Vermutlich war er
durchs Nebenhaus auf den Dachboden gelangt.«
»Mensch, Kind, warum hast du uns denn nichts davon gesagt!«
Julia strich ihrem Stiefsohn die dunkelblonden Haare aus der Stirn.
»Ach, ich wollte erstens nicht verraten, dass ich da oben
war, und dann wollte ich mit meinen Freunden selbst die Verfolgung des Mannes
aufnehmen. Ich hatte mir das so spannend vorgestellt und keine Ahnung, dass wir
in eine Falle tappen könnten.«
»Und dann seid ihr dummen Jungs einer falschen Fährte
gefolgt und von einem Schwerverbrecher im Keller der Schlossruine eingesperrt
worden. Das hätte ganz schön schief gehen können!«
Thomas zeigte sich schuldbewusst, weil er und seine Freunde
den Verkehrten verfolgt hatten, aber Ludwig Herzog tröstete ihn: »Deswegen
brauchst du den Kopf nicht hängen zu lassen, Tom. Auch wenn ihr fünf einer
falschen Spur gefolgt seid, so war es letztlich doch die richtige. Nur durch
euren Spürsinn konnte die Polizei einen schon lange gesuchten Mörder dingfest
machen. Der Mann jedoch, den ihr aus dem Nebenhaus kommen saht, ist ein armer
Kerl. Du kennst ihn sicher noch. Es ist der Max Berger. Du warst gerade elf
Jahre alt, als seine Eltern tödlich verunglückten. Max und seine Schwester
Claudia waren danach oft bei uns, und ihr habt viel miteinander gespielt. Aber
das hast du wohl längst vergessen.«
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