Sträfliche Neugier
von
einer Polizistin getröstet werden musste.
Da ging die Tür auf und ein mit Handschellen gefesselter
Mann wurde hereingeführt. Julia rief: »Tim! Du warst es also! Komisch, ich
hatte schon so eine Ahnung!« Den Beamten bat sie dann: »Bitte öffnen Sie die
Handschellen, ich ziehe meine Anzeige zurück. Ich will nicht, dass dieser Mann
in weitere Schwierigkeiten gerät. Ich denke, dass sich alles aufklären lässt.«
»Sind Sie sich wirklich sicher, Frau Herzog? Einbruch ist
ein schweres und strafbares Delikt, darauf gibt es bei seiner Vorstrafe keine
Bewährung mehr«, sagte der Beamte verwundert.
»Ja, das weiß ich wohl, aber ich kenne den Mann gut und
möchte, dass er freikommt.«
Julia musste zunächst eine Einverständnis-Erklärung
unterschreiben, dann öffnete der Beamte Tims Handschellen. »Auf Ihre
Verantwortung, Frau Herzog«, sagte er, und zu Tim gewandt: »Da sind Sie aber
gut bei weggekommen, gratuliere. Aber ich rate Ihnen, in Zukunft keine solchen
Dummheiten mehr zu machen, leicht könnte Sie das einige Jahre Knast
einbringen.«
Daraufhin verließ Julia mit Tim das Polizeirevier, der
immer einen halben Schritt hinter ihr herlief. Sie drehte sich zu ihm um: »Sag
mal, Tim, du hast sie wohl nicht alle! Brichst einfach in unser Haus ein und
hinterlässt dort ein unbeschreibliches Chaos! Dafür bist du uns Rechenschaft
schuldig und kommst jetzt mit. Ich erwarte, dass du dir über deine Situation im
Klaren bist.«
Tim hatte einen hochroten Kopf und fühlte sich wie ein
begossener Pudel. »Mir ist das furchtbar peinlich, ich kann dir gar nicht
sagen, wie sehr ich mich schäme. Ich hoffe, dass ihr mir verzeihen könnt, und
werde euch alles erklären.«
Julia führte Tim ins Wohnzimmer. »Nimm derweil Platz, Tim!
Ich sage nur meinem Mann Bescheid.«
Julia ging durch die Verbindungstür in die Apotheke, wo
Ludwig gerade in seinem Labor tätig war und sagte: »Stell dir vor, im
Wohnzimmer sitzt unser Einbrecher. Es ist Tim, von dem ich dir schon mal
erzählte. Komm bitte mit, er will uns die Erklärung für den Vorfall geben.«
Ludwig ließ alles stehen und liegen und begleitete seine
Frau in die Wohnung hinüber.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Tim mit bebender Stimme.
»Ich wollte für Max Berger eine Schatulle holen, die er und seine Schwester vor
Jahren auf Ihrem Dachboden versteckt hatten, als das Haus noch ihren Eltern
gehörte. Und ich wollte eine falsche Fährte legen – daher die Unordnung, die
ich angerichtet hatte. Aber glauben Sie mir bitte, Herr Herzog, ich habe nichts
gestohlen.«
»Was für eine Schatulle?« Ludwig Herzog schaute Tim
stirnrunzelnd an.
Nun erklärte Tim alles, was er von Max erfahren hatte und
erwähnte auch das Gespräch, das er kürzlich mit Julia führte. Auch dass er sich
hinter dem Vorhang versteckte, als ein anderer Mann das Zimmer betrat.
Ludwig musste tief Atem holen, denn Tims Bericht hatte ihn
sprachlos gemacht. Dann sagte er:
»Nach allem, was Sie uns da erzählen, muss ich annehmen,
dass der andere Mann Max Berger war. Damit die ganze Sache endgültig aufgeklärt
wird, werde ich auch ihn und seine Schwester Claudia zu uns einladen. Er muss
die Schatulle mitbringen, damit auch ich einen Blick auf diesen anscheinend
vielseitig begehrten Gegenstand werfen kann. Ich werde Max nachher anrufen,
vielleicht können wir uns alle morgen hier noch einmal treffen.«
»Die Schatulle habe ich!« Tim sah Ludwig Herzog
schuldbewusst an. »Max hat sie sich gestern Abend von Ihrem Dachboden geholt.
Er wurde anschließend von einem Unbekannten verfolgt, der es ebenfalls auf die
Schatulle abgesehen hatte. Und dann wurde Max in der Hohenburgstraße
niedergeschlagen, aber die Schatulle lag neben ihm im Straßengraben. Da kann
ich mir keinen Reim drauf machen. Vielleicht war das ein gewöhnlicher
Straßenräuber, der was ganz anderes suchte.«
Tim berichtete nun vom Krankenbesuch bei Max und wie er bei
der Suche nach der Brille durch Zufall die Schatulle entdeckte.
»Ich habe Max noch nicht gebeichtet, dass ich die Schatulle
fand. Ich war natürlich neugierig und wollte unbedingt wissen, was sie
beinhaltet. Morgen hätte ich sie Max gebracht, falls er dann wieder zu Hause
ist. Er und Claudia denken nämlich schon seit Jahren an nichts anderes mehr als
an die Schatulle mit den Substanzen, von denen sie sich die Wiederherstellung
ihrer Gesundheit erhoffen.«
Tim beschrieb dann die schlimmen Erkrankungen von Max und
Claudia. Da schüttelte Ludwig den Kopf und
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