Sträflingskarneval
hat meinen Onkel, meine Tante und meine Cousine auf dem Gewissen“, spie Zebediah ihm vor Wut schäumend entgegen.
Ryan schluckte merklich und hoffte, sich jetzt bloß keine Blöße zu geben. Er hatte das mit Merriweathers Familie nicht gewusst, aber es war trotzdem kein Grund auf Aidan loszugehen. Wenn, dann war Lawren der Schuldige und nicht Aidan. „Du sagst es, Merriweather“, schnaubte Ryan. Er ignorierte alle Vorsicht und ließ sich von seinen Gefühlen leiten. „McGraths Vater hat es getan, aber NICHT Aidan, du Idiot! Hör mit dem Scheiß auf und mach lieber den Abflug. Oder willst du wie dieser winselnde Clown da enden, du Hornochse? Ich habe keine Angst vor dir.“
Einen Augenblick starrten alle Ryan verwundert an, sogar der hünenhafte Muskelberg Smith, der inzwischen mithilfe seiner Männer aufrecht saß, aber mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Geschlechtsteile hielt. Es war verwunderlich, dass Ryan Tavish plötzlich für Aidan McGrath Partei ergriff; und die ohnehin angespannte Situation verschärfte sich zusehends.
„Spinnst du, Tavish?“, fauchte Zebediah verächtlich. „Einer soll büßen; und mir ist egal welcher dreckige McGrath dafür ins Gras beißt. Dieses feige Arschloch hat dem Verräterpack geholfen. Er ist schuld und nur er! Und du bist genauso ein Verräterschwein, wenn du dich für ihn einsetzt.“
„AUFHÖREN! SOFORT!“, rief eine entsetzte, aber dennoch keinen Widerspruch duldende Frauenstimme. Mrs. Buckley kam mit dem Hausverwalter und Kimberly an ihrer Seite auf die Menschenansammlung zugerannt.
Kimberly stellte sich zu Ryan und verschaffte sich kurz einen Überblick. „Verdammt! Was ist passiert?“
In knappen Sätzen erzählte er ihr alles, während zwischen Mrs. Buckley, der Hausverwalter und Peter Smith eine lautstarke Diskussion entbrannte, welche die umherstehenden Schüler sehr interessant fanden. Ryan, Kimberly und Adian wurden dabei völlig ignoriert. Smith stand gleichzeitig so umständlich wieder auf, dass es fast schon komisch wirkte, und fixierte die Schulleiterin verächtlich. Ryan musste gegen seinen Willen über Smiths schmerzverzerrtes Gesicht grinsen.
Die beiden Freunde knieten sich zu Aidan hinunter, der sie verstört beäugte. Die Prügel von seinen Peinigern kannte er inzwischen gut genug, wenn sie fast jeden Abend betrunken in die Holzhütten kamen und Dinge taten, die …
„McGrath? Aidan, geht’s dir gut?“, fragte Ryan bereits zum zweiten Mal, bis er endlich eine Reaktion erhielt.
„Ähm … ja … mir geht’s …“, stammelte Aidan und schaffte es nicht, den Satz zu beenden. Er begann unbeholfen zu zittern und versuchte sich aufzurichten.
„Warte, ich helfe dir“, erbot sich Kimberly und reichte ihm zwei helfende Hände.
Aidan starrte zuerst auf ihre Finger, anschließend in ihr blasses Gesicht, auf dem sich ein freundliches Lächeln abzeichnete. Er war so überrascht, dass er sich nicht einmal bewegen konnte, während sein Herz raste. Schließlich griff er mit seinen schmutzigen und blutverschmierten Händen nach ihren.
„Bist du noch irgendwo verletzt?“, wollte Ryan wissen und musterte den ausgezerrten Körper.
Aidans Blick schweifte zu seinem ehemaligen Mitschüler und Rauchgrau traf abermals auf Hellblau. Beide konnten die Angst und Erleichterung des anderen darin lesen. Aidans Verwunderung stand ihm offen ins Gesicht geschrieben, er schüttelte nur den Kopf. Dann tastete er behutsam nach seiner Nase. Doch kaum berührten seine Fingerspitzen den Nasenrücken, schossen ihm Tränen in die Augen. Gequält zuckte er zusammen und fühlte, wie sein Kopf heftig zu hämmern begann, als wäre ein Presslufthammer in ihn eingedrungen.
„Vorsichtig, deine Nase ist gebrochen“, murmelte Kimberly und legte ihm bestimmend seine Hände in den Schoß. „Nicht berühren, sonst wird es schlimmer.“
„Smith, dieser Arsch!“, sagte Ryan und Aidan wandte sich ihm wieder zu. „Und Merriweather ist ein Volltrottel. Das gibt wirklich noch großen Ärger.“
„Für mich, nicht für ihn“, krächzte Aidan mit trockener Kehle. „Den ganzen Ärger kriege ich ab.“
Die beiden Freunde sahen sich wissend an und Ryan ahnte ihre nächsten Worte bereits, bevor Kimberly sie aussprach, wobei ihm wieder dieses mulmige Bauchgefühl beschlich.
„So darfst du nicht reden“, sagte Kimberly beruhigend und wer sie nicht kannte, hätte in diesem Moment denken können, sie seien schon immer die dicksten Freunde gewesen. Ihre Sorge war echt, genauso
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