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Sträflingskarneval

Sträflingskarneval

Titel: Sträflingskarneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eickert
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inzwischen ergangen sein mochte. Seit dem Vorfall hatte er ihn nur ein paar Mal von Weitem gesehen. Er schien beträchtlich an Kraft verloren zu haben, hielt sich jedoch ungeheuer tapfer auf den Beinen. Zebediah dagegen begegnete ihm jeden verfluchten Morgen, Mittag und Abend im Speisesaal oder auf den Gängen; und alle befürchteten eine baldige Eskalation zwischen ihnen, vor allem wegen Zebediahs übler Laune. Er war seit dem Vorfall besonders schnell reizbar. Einige Male war er deswegen auch schon mit anderen Schülern aneinander gerasselt. Ryan ignorierte ihn absichtlich so gut er konnte und stellte die Ohren auf Durchzug, wenn von seinen Mitschülern abfällige Kommentare kamen. In Wahrheit war er stolz auf sein Handeln, das zum Glück bisher kein Nachspiel für ihn gehabt hatte. Ganz anders sah es bei Zebediah aus: Bis zum Ende des Schuljahres musste er jedes Wochenende Strafarbeiten leisten. Doch Ryans größtes Problem war und blieb Aidan McGrath. In jeder freien Minute geisterte dieser ihm im Kopf herum und ließ ihn nicht mehr los. Es war schon so weit, dass er nachts von ihm träumte.
    Seufzend blickte er aus seinem Zimmerfenster. Kimberly war immer noch nicht aus Galway zurückgekehrt, wo sie Gillean Jaramago im Krankenhaus besuchte und ihm bei dem verpassten Schulstoff half. Daher entschloss er sich kurzerhand zu einem Spaziergang, in der Hoffnung, einen klaren Kopf zu bekommen.
    Ryan lief gerade in Richtung Waldrand, als er plötzlich einen Schrei hörte. Eilig sah er sich um, aber er war alleine, weit und breit war kein einziger Schüler oder Lehrer in der Nähe. Wieder vernahm er einen Schrei und diesmal wusste er, woher er kam. So schnell er konnte rannte er hinunter zum See und machte sich im Geiste auf das Schlimmste gefasst. Fünfzig Meter vom Ufer entfernt stürmte er grade um eine dichtgedrängte Baumgruppe herum, als ihn der Anblick dessen, was sich dort abspielte, abrupt stoppte.
    Unmittelbar am steinigen Ufer bildeten fünf Schüler einen großen Kreis, in dessen Mitte Zebediah Merriweahter und Aidan McGrath standen. Von den Wachen oder Smith gab es keine Spur. Zebediah hatte den Blonden im Schwitzkasten und dieser wehrte sich verzweifelt mit Händen und Füßen. Dabei stieß er erstickte Rufe aus, in der Hoffnung, jemand würde ihn hören. Gleichzeitig feuerten die anderen ihren stämmigen Freund mit höhnischem Gelächter an; zwei von ihnen schlugen mit langen dürren Ästen auf Aidans Rücken ein, als wären sie Peitschen.
    In diesem Moment sah Ryan Rot. Mit einer ungeheuren Wut im Bauch preschte er los, klaubte nebenbei einen dicken Ast vom Boden auf, und ohne Vorwarnung traf er zwei von Zebediahs Freunden am Hinterkopf. Verwirrt taumelten sie zur Seite, während die anderen erschrocken nach hinten auswichen.
    Zebediah starrte Ryan mit zu Schlitzen verengten Augen und wutentbrannter Miene an. Dabei verstärkte er den Griff um Aidans Hals und achtete nur noch auf Ryan.
    „Ach nein, der Superheld schon wieder“, zischte Zebediah und machte mit Aidan zwei Schritte rückwärts zum Wasser, unterdessen näherte sich Ryan langsam. „Noch ein Schritt weiter und du kannst den Jammerlappen in Einzelstückchen einsammeln.“
    „Red keinen Scheiß, du Idiot!“, schnaubte Ryan und richtete die Spitze des Astes drohend auf ihn.
    „Soll das etwa eine Drohung sein?“ Zebediah zog die Stirn kraus, dann lachte er hämisch. „Pass bloß auf, was du mit dem Ding da anstellst, sonst könntest du vielleicht ein paar Eichhörnchen aufschrecken.“
    „Passt du lieber auf, was du hier tust“, erwiderte Ryan ernst. „Lass gefälligst Aidan los, oder du wirst bald noch mehr Ärger bekommen, als dir lieb ist.“
    „Oh ho … doch eine Drohung.“ Zebediah grinste. „Brrrr, gleich bekomme ich es mit der Angst zu tun.“
    „Verdammte Scheiße“, rief Ryan und wurde immer wütender. „Lass ihn endlich los, oder …“
    Die letzten Worte blieben ihm im Hals stecken, als sein Gegenüber plötzlich ein großes scharfes Messer in der Hand hielt. Die Klinge glänzte im Sonnenlicht und unterstrich die lebensgefährliche Situation. Das war kein Spiel mehr.
    „Du willst nicht auf mich hören?“, fragte der kräftige Zebediah und allein sein eiskalter Tonfall verriet, dass es nur eine rein rhetorische Frage war. „Dann bist du wohl auch bereit mit den Konsequenzen zu leben. In Ordnung.“ Der Satz war kaum ausgesprochen, da entließ er Aidan aus dem Schwitzkasten, nur um ihn sofort grob an den Haaren nach ob

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