Sträflingskarneval
Vater.
„Rossalyn … Aidan … geht’s ihnen gut?“, murmelte Lawren, doch seine Stimme klang kraftlos. „Leben sie?“
„Beiden geht es gut“, antwortete Ryan. „Aidan wartet draußen, wir haben ihn auch befreit. Wir bringen Sie jetzt zu Ihrer Frau.“ Dann sah er fragend zu Duncan. „Hast du eine Ahnung, wie wir ihn diese ganzen Treppen raufschleppen sollen?“
„Wir müssen nicht zurück. Wir nehmen den Hinterausgang.“ Triumphierend grinste er.
„Hinterausgang? Bekommt dir die Dunkelheit nicht?“
„Ach halt die Klappe. McBright hat mir eine Geheimtür gezeigt, falls es einmal Schwierigkeiten geben sollte. Sie führt direkt ins Freie.“
Vor sich hin grummelnd, weil er bei dem angeblichen Hinterausgang gar kein gutes Gefühl hatte, beachtete er seinen Cousin nicht länger, drehte sich um und wollte Aidan holen. Doch er und Kimberly standen bereits an der Zellentür. Entsetzt starrte er Aidan auf seinen Vater. „Geht es ihm gut?“
„Den Umständen entsprechend“, antwortete Ryan, weil er nicht wusste, was er darauf sagen sollte, und nahm Aidans Hand. „Man hat ihn ziemlich übel zugerichtet.“
Aidan nickte und beobachtete, wie Gillean und Duncan seinem Vater beim Aufstehen halfen. Sie legten seine Arme um ihre Schultern und trugen ihn so aus der Zelle. Ryan, Aidan und Kimberly leuchteten ihnen dabei mit den Taschenlampen, denn Lawren konnte weder stehen noch laufen, was seine beiden Helfer noch mehr forderte.
Neugierig und nervös beäugte Aidan Lawren und zuckte bei näherem Hinsehen geschockt zusammen. Dieser Mann konnte unmöglich sein Vater sein! Doch unter der qualvoll geschundenen Hülle des Gefangenen stachen allmählich die Züge seines Vaters hervor. Vor Schreck wurde ihm übel, und er drückte sich fest in Ryans Arme.
Lawren stöhnte immer wieder vor Schmerzen auf und sog mehrmals scharf die Luft ein. Er war so überrascht, Kimberly und Gillean zu sehen, ebenso den dicklichen Wärter, der ihm immer das Essen brachte, dass er kein Wort über die Lippen brachte. Am meisten aber staunte er über die Anwesenheit von Ryan Tavish. Das konnte nur eines bedeuten: Rossalyn und Kendra hatten sich mit Ophelia zusammengetan und gingen gegen Hinthrone vor. Das beruhigte ihn zutiefst, denn er hatte schon fast die Hoffnung verloren und geglaubt, Bartholemeus hätte sie alle umgebracht.
„Vater“, murmelte Aidan, als sich beide gegenüberstanden. Er sah ihm direkt in die abgestumpften Augen, in denen Freude aufblitzte.
„Aidan“, flüsterte Lawren und lächelte. Sein Sohn lebte; und obgleich er in seltsame übergroße Lumpen gekleidet war, eine aufgeplatzte Augenbraue und blaue Flecke hatte besaß, sah er verhältnismäßig gut aus. Das alleine zählte. Allerdings wunderte er sich, wieso er Ryan Tavish so intim umarmte. Was sollte er davon halten? Hatte Hinthrone etwa die Wahrheit gesagt? „Aidan …“, sagte er schließlich lauter, wurde jedoch von einem heftigen Hustenanfall am Weitersprechen gehindert.
„Wir müssen los“, drängte Kimberly zur Eile und ließ sich von Duncan die Richtung weisen. Dieser zeigte mit dem Kinn zur hinteren Wand und sie machte sich sofort auf den Weg, wobei sie den anderen mit der Taschenlampe vorausleuchte.
Duncan, Gillean und Lawren folgten ihr, Ryan und Aidan, der leicht zitterte, kamen schweigend nach. Vor der Felswand blieben sie nervös stehen, und Ryan tauschte mit Duncan den Platz an Lawrens Seite, während sein Cousin einen größeren Wandabschnitt abtastete und einen versteckten Mechanismus betätigte. Direkt vor ihnen öffnete sich tatsächlich eine Geheimtür im Gestein, die mit dumpfen Rumpeln in der Wand verschwand. Doch Duncans darauf folgender Jubelruf wurde von einem plötzlich losschrillenden Alarmläuten übertönt. Der Laut wiederholte sich in rascher Abfolge dreimal, dann war es so still wie zuvor.
„Klasse Duncan … wirklich richtig klasse!“, fauchte Ryan gereizt und konnte nur hoffen, dass nicht hundert Männer oder mehr draußen auf sie warteten. Bei dieser Aussicht würden sie die Insel höchstwahrscheinlich nicht mehr lebend verlassen.
„Keine Ahnung, was passiert ist.“ Duncan zuckte unschuldig mit den Schultern. Liam McBright hatte nie etwas von einem Alarmsystem hier unten erwähnt. Nun wusste er es zwar besser, konnte aus diesem Wissen aber keinen Nutzen mehr ziehen, dafür war es nun zu spät. Er hatte sie geradewegs in eine Falle geführt.
„Jetzt ist es auch egal“, meinte Aidan, ließ Ryan los und schritt
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