Sträflingskarneval
können und die bisherige Flucht setzte ihm körperlich sehr zu.
„Da wollt ihr wirklich rauf?”, keuchte Lawren und sein ganzer Körper schmerzte vor Anstrengung.
„Wir haben keine andere Wahl”, antwortete Aidan und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, obwohl er sich genauso schlecht fühlte, wie sein Vater aussah.
„Dann mal los“, spornte Gillean die Gruppe an.
Seine Freundin kletterte mit Aidan und Duncan voraus, um anschließend Ryan und ihm zu helfen, Lawren nach oben zu hieven, der sich aufgrund seiner geschwächten Verfassung kaum irgendwo festhalten konnte, ganz zu schweigen, dass er mit den verkrüppelten Füßen zu stehen oder zu laufen vermochte. Dennoch versuchte er, ihnen die Mühe zu erleichtern, rutschte aber immer wieder kraftlos mit den Händen vom Felsen ab. So dauerte es fast eine Viertelstunde, bis sie die steilen Stufen geschafft hatten. Erschöpft hielten sie einen kurzen Moment inne, um sich auszuruhen. Ryan nutzte diesen Augenblick, um Aidan ein weiteres Mal in den Arm zu nehmen und zärtlich zu küssen. Noch vor einem Tag hatten beide nicht an das Wunder geglaubt, sich lebend wiederzusehen, doch nun waren sie wiedervereint. Aidan konnte gar nicht in Worte fassen, wie unendlich befreit er sich fühlte, weil er der erdrückenden Enge seiner Gefängniszelle entkommen war. Sogar die Hoffnung, von der Insel zu entfliehen, wurde größer, obwohl sie bis jetzt nicht genau wussten, wie und womit. Selbst die Angst vor Smith und Hinthrone drängte sich für einige Sekunden in den Hintergrund, als er plötzlich Lawrens Blick bemerkte und wieder nervös wurde.
Ryan schien es nicht zu stören, dass Lawren sie skeptisch beäugte, Aidan jedoch verkrampfte sich merklich. Deswegen ließ er ihn los und flüsterte ihm ins Ohr: „Mach dir um deinen Dad keine Sorgen. Er wird schon akzeptieren, dass du schwul bist. Es bleibt ihm ja wohl auch nichts anderes übrig, denn ich lasse dich nie, nie wieder weg! Aber erst mal müssen wir alle heil zurück aufs Festland.“
Am liebsten hätte Aidan ihm entgegnet, wie falsch er seinen Vater einschätzte, verkniff sich jedoch geflissentlich jeden Kommentar. Ihre Flucht hatte oberste Priorität, für Fragen war später noch genügend Zeit. So setzten sie ihren Weg fort, wobei Duncan nun gemeinsam mit Gillean wieder Lawren stützte und Ryan gemeinsam mit Aidan vorausging. Sie kamen jedoch nur langsam voran, denn der Pfad war überall mit feuchtem Moos bewachsen, weswegen sie öfters ausrutschten. Als sie schließlich die Festung fast zur Hälfte umrundet hatten, blieben sie abrupt stehen und duckten sich schutzsuchend hinter einige Felsvorsprünge.
Etwa dreißig Meter entfernt lag der Bootssteg, und genau dort stand der echte Bartholemeus Hinthrone, umringt von bewaffneten Männern, während er wütend herumschrie.
„Mist! Was machen wir jetzt?“ Ryan sah sich fragend in der kleinen Gruppe um.
„Ganz einfach“, antwortete Gillean im Brustton der Überzeugung. „Ich schwimme da rüber, hole das kleine Beiboot da vorne und komme damit zurück. Da unten …“, dabei deutete er hinab zu einer kleinen Stelle zwischen den Felsen, „… kann man einsteigen, und wir rudern im Nebel davon. So schnell wird er sich schon nicht lichten, und gleich wird es richtig dunkel sein.“
„Nein, das tust du nicht!“, verbot ihm Kimberly und starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Die Sorge um ihn stand ihr dabei ins Gesicht geschrieben. „Wenn dir etwas passiert oder sie dich sehen … denk doch mal nach, wir können dir da unten doch gar nicht helfen.“
„Das weiß ich, mein Schatz, aber ich tu’s trotzdem.“ Gillean lächelte sie entwaffnend an und streichelte ihr über die erhitzte Wange, dann küsste er sie.
„Gillean hat recht“, unterstützte Aidan seinen Freund, wobei er ihrem erzürnten Blick mit ernster Miene begegnete. „Das ist die einzige Möglichkeit. Wenn er es nicht macht, dann tu ich’s. Oder willst du hier übernachten und auf bessere Zeiten warten?“
„Siehst du“, sagte und Gillean und zwinkerte Aidan dankend zu. „Ich will hier bestimmt nicht länger als nötig bleiben. Ich bin doch gleich wieder zurück.“
Davon war Kimberly nicht überzeugt, aber sie konnte ihm auch nicht widersprechen. Sie wollte – genau wie die anderen – so schnell wie möglich von der Insel verschwinden.
„Pass auf dich auf“, flüsterte sie und hauchte ihm einen Abschiedskuss auf die Stirn.
Gillean verlor keine Zeit und kletterte
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