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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verbreiteten sie grollend und vom Blutrausch besessen den eisigen Schreckenshauch des Todes.
    Unterarzt Dr. Hansen war in Barssdowka geblieben, bei den nicht transportfähigen Verwundeten, in Mehrzahl Kopf- und Bauchschüsse. Zu den Verwundeten seines eigenen Bataillons hatten sich noch einige aus den Infanterie-Einheiten zugesellt, die aus ihren Stellungen geworfen worden waren. Die Scheune war halbvoll, sie lagen still, mit großen, erschrockenen Augen gegen die Tür starrend, durch die jeden Augenblick die Russen kommen konnten. Zwischen den Betten und Strohsäcken ging Dr. Hansen hin und her, Ruhe und Zuversicht zusprechend und ausbreitend, Trost spendend und Linderung schaffend.
    Über dem Eingang hing eine große Rot-Kreuz-Fahne, schwer und unbeweglich in der ruhigen, stillen Luft.
    Und plötzlich hörte man sie kommen.
    Schon eine ganze Weile hörten die Verwundeten die dröhnenden Panzermotoren und vereinzelte Schüsse. Jetzt aber hörten sie ihre Stimmen, kurze, heisere Ausrufe und dann ein langes, langanhaltendes, lautes Lachen.
    Dr. Hansen nickte den Verwundeten zu und ging langsam zur Tür.
    Tartuchin war der erste, der den Arzt in seinem weißen Kittel in der Tür stehen sah. Er verharrte einen Augenblick, hob seine Maschinenpistole und jagte eine kurze Garbe in das Tuch der Rot-Kreuz-Fahne über Hansens Kopf. Dann grinste er, doch plötzlich vereiste das Grinsen auf seinem breiten Gesicht, und er duckte sich zusammen: Hier waren noch deutsche Soldaten! Vielleicht traf er auch IHN, seinen großen Feind, unter ihnen. Verwundet? Egal, vielleicht hatte er sich unter die Verwundeten gemischt, vielleicht war er selbst verwundet, vielleicht … und wenn er ihn nicht fand … Gut! Hier, an diesen verfluchten Deutschen konnte er seinen Haß stillen. Nicht für immer, nicht einmal für lange Zeit, nur so lange, bis er neue fand. Was tat es, daß es Verwundete waren? Bevor sie verwundet wurden, hatten sie auf seine Brüder geschossen, hatten sie sie getötet, hatten sie … jetzt werden sie das büßen!
    Angespannt, mit vorgebeugtem Körper ging er gegen die Scheune, gegen den kleinen, schmächtigen Arzt, der mit unbewegtem Gesicht, ihm ruhig entgegenblickend, vor der Tür stand und den Weg in die Scheune versperrte.
    »Idi!« Geh! sagte er, als er vor dem Arzt stand.
    »Du bist …«, begann der Arzt, der den ehemaligen Hilfswilligen erkannt hatte, aber Tartuchin unterbrach ihn ungeduldig: »Geh – geh!«
    »Nein!« sagte der Arzt und rührte sich nicht von der Stelle.
    »Nein?« wiederholte Tartuchin, und über sein Gesicht huschte ein schnelles, böses Lächeln. »Nein? Nein?«
    Langsam, überlegend und – Dr. Hansen sah es: tödlich entschlossen hob er die Maschinenpistole, bis ihr Lauf dem Arzt genau gegen die Brust zielte.
    »Nein?« sagte er wieder. »Nein?«
    Es gab keinen Zweifel – Tartuchin würde schießen, wenn ihm der Arzt nicht aus dem Weg ging. Und doch rührte sich Dr. Hansen nicht.
    In diesen wenigen, kurzen Augenblicken wuchs der junge, schmächtige Arzt über sich selbst hinaus. Er hatte eine tödliche, entsetzliche Angst, die sein ganzes Inneres zusammenkrampfte, die Haut auf seinem Körper zusammenzog – aber nichts davon drang nach außen. Ruhig, still, mit verschlossenem und ein bißchen hochmütig wirkendem Gesicht stand er vor Tartuchin, der jetzt wieder zu lächeln begann – ein breites Grinsen, das den Tod ankündigte.
    »Stoj!« hörte man von der Straße her eine laute, befehlende Stimme. Tartuchins Grinsen erstarrte, dann wandte er den Kopf halb zur Seite und blickte über die Schulter mit bösem Blick gegen die Stimme.
    Sergej Denkow kam langsam näher. Die Maschinenpistole hielt er unter den Arm geklemmt.
    »Was willst du?« fragte er auf russisch, als er zu Tartuchin und Dr. Hansen kam.
    Tartuchin zuckte mit den Schultern.
    »Los, was willst du?« fragte Denkow wieder, und seine Stimme hatte jetzt einen scharfen Klang bekommen.
    »Er will mich nicht 'rein lassen«, sagte Tartuchin.
    »Und du wolltest ihn umlegen, was?«
    »Er ist ein Deutscher«, sagte Tartuchin.
    »Kennst du ihn länger?« fragte Denkow leise, ohne den Blick von Tartuchin zu wenden, der jetzt unbehaglich zur Seite blickte.
    »Los, kennst du ihn länger?«
    »Ja.«
    »Was hältst du von ihm?«
    »Er ist ein Deutscher!«
    »Und du bist ein Schwein!« zischte Denkow. »Du bist um keinen Deut besser als die Deutschen. Was hat er dir getan? Was hat er einem von uns getan? Nichts! Er hat unsere Bauern geheilt, als

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