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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fehl am Platze fühlte, sah auf die Papiere, die ihm Barth vorgelegt hatte. Mit wässerigen Augen schaute er über seine Brille.
    »999? Welches Regiment, welche Division?«
    »Bei dem Bataillon 999 handelt es sich um ein selbständiges Strafbataillon, Herr Major.«
    »Strafbataillon?«
    »Ja, Herr Major.«
    »Hm.« Der Alte musterte Hauptmann Barth mißtrauisch von oben bis unten. War sicher Kavallerist, dachte Barth. So mustert man einen Gaul, der lahmt. Kann ich ihm nicht übelnehmen. Für den bin ich vorerst ein besserer KZ-Aufseher. »Sie sind der Kommandeur?«
    »Ja, Herr Major. Meine Truppe ist zur Frontbewährung nach Orscha gekommen.«
    »Zur Frontbewährung. Natürlich.« Der Major sah Hauptmann Barth wieder kritisch an. »Sie hören noch von mir. Oder haben Sie Sonderbefehle?«
    »Jawohl. Meine Truppe soll im Rahmen des rückwärtigen Frontaufbaues eingesetzt werden. Vor allem in Spezialaufgaben, die außerhalb der Aufgaben anderer Truppenteile liegen«, sagte Barth mit ironischer Stimme.
    »Ich verstehe.« Der alte Major bemühte sich nicht, sein fast körperliches Unbehagen über dieses Gespräch zu verbergen. Er sah auf Barths Ordensbänder und schob die Unterlippe vor. »Sie waren schon an der Front?«
    »Von Anfang an. Polen, Frankreich und der Vormarsch in Rußland bis 1943. Ich war bei der Panzerspitze, die die Türme von Moskau sehen konnte.«
    »Und jetzt 999?«
    »Ja, Herr Major. Freiwillig.«
    »Freiwillig?« Der Standortkommandant von Orscha legte die Papiere umständlich in eine Mappe, als wollte er seine Überraschung und Ratlosigkeit verbergen. »Ich würde mich freuen, Sie an einem der nächsten Abende zu sprechen, Herr Hauptmann. Bei einem Glas Grog. Ich schicke Ihnen eine Ordonnanz.«
    »Vielen Dank, Herr Major.« Barth lächelte leicht. Der Köder saß, der Alte hatte angebissen. Oder – kavalleristisch ausgedrückt: Der Gaul keilte, aber scharf auf Kandare geritten, trabte er ganz folgsam. Man wußte nie, wofür das gut war …
    Während Hauptmann Barth sein Bataillon anmeldete, saß Deutschmann in seiner Unterkunft und schrieb an Julia. Der kleine Raum in einem halbzerschossenen Bauernhaus war von Kerzen notdürftig erleuchtet. Die zwei schwachen, flackernden Lichter drohten jedesmal auszugehen, wenn jemand durch die Türe kam und der Luftzug von draußen eisig durch die Stube strich. Große verschwommene und dann wiederum scharf umrissene Schatten tanzten an den rauchgeschwärzten Wänden und huschten über das Papier, auf dem sich langsam Wort an Wort und Zeile an Zeile reihten.
    Deutschmann schrieb:
    Mein liebes, liebes Julchen, Du wirst schon lange keinen Brief von mir bekommen haben, Rehauge. Oder ist es gar nicht so lange her? Mir jedenfalls scheint von damals, als ich Dir noch von unserem alten Standort geschrieben habe, bis heute eine Ewigkeit vergangen zu sein. Heute sind wir in Rußland, damals waren wir in Europa. Ich weiß, auch der Ort, wo wir uns befinden, liegt auf der Landkarte in Europa. Aber es ist eine so völlig andere Welt, in die wir gekommen sind, es ist alles so neu und furchtbar fremd, daß ich mich manchmal fragen muß, ob ich wirklich noch bin, ob ich das alles wirklich erlebe und nicht nur erträume. Ein ›Früher‹ gibt es fast nicht mehr; die Bilder, die aus meinem Gedächtnis aufsteigen, wenn ich an ›früher‹ denke, sind blaß und konturlos geworden – allein Du bist immer noch so stark in mir wie früher. Mehr noch: stärker, lebendiger als je, manchmal so stark und lebendig, daß ich vermeine, Deine Stimme zu hören und Deinen Hauch an meiner Wange zu spüren …
    Deutschmann setzte ab und sah unwillig zur Tür, die krachend aufging. Unteroffizier Peter Hefe oder der ›Gärende‹, wie er von den Soldaten genannt wurde, stürmte in den kleinen Raum. »Wiedeck, Schwanecke, Graf Hugo, los fertigmachen! Wir müssen auf Störtrupp gehen.«
    »Einundzwanzig!« sagte Schwanecke. Er spielte Karten mit Wiedeck und dem Grafen Hugo von Siemsburg-Wellhausen, den alle nur Hugo nannten. Er beachtete Hefe nicht. Dann sah er langsam auf und fragte: »Was is'n los? Was müssen wir machen?«
    »Störtrupp«, sagte Hefe. »Die Leitung ist kaputt.«
    »Es geht schon wieder los«, sagte Schwanecke und stand seufzend und sich räkelnd auf. »Ich möchte wissen, wann in diesem verfluchten Land mal keine Leitung kaputt ist.«
    Daß die Telefonleitung zur 1. Kompanie in Babinitschi gestört ist, hatte Oberfeldwebel Krüll entdeckt.
    »Welcher Idiot hat die Leitungen

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