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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gelegt?« schrie er durch den niedrigen Raum eines halbwegs gut erhaltenen Bauernhauses, wo sich die Schreibstube eingenistet hatte. Auf den Blechkisten und Pappkartons klebten überall Kerzen. »Solche Idioten, nicht einmal 'ne Telefonleitung können sie legen! Tür zu, ihr Tränen!« schrie er, als über seinen schweißglänzenden Nacken ein eisigkalter Luftzug strich. Dann schnellte er empor, denn die Träne war Oberleutnant Obermeier. »Verbindung zur 1. Kompanie abgerissen, Herr Oberleutnant«, meldete er. »Es fängt ja gut an.«
    Daß ›es gut anfing‹, hatte er bereits gemerkt, als sie beim ersten Aufenthalt in Baranowitschi die ganze Kompanie von einem Güterzug in den anderen verladen mußten, weil der Hauptteil der Waggons für die Artilleriemunition abgehängt wurde. Die Kompanie wurde in einige wenige Waggons zusammengepfercht, jeweils 40 Mann in einen. Zudem war Schwanecke nach dem Umladen mit drei Büchsen Thunfisch erschienen und einem kleinen Sack mit Hartkeks.
    Krüll hatte es sich abgewöhnt, bei Schwanecke jedesmal ›woher?!‹ zu brüllen. Die Antworten waren stets so dämlich, daß die ganze Kompanie grinste. So hatte er auch diesmal nur gesagt:
    »Wenn eine einzige Meldung kommt, daß das Zeug geklaut ist, binde ich dich hinten an den Zug, an die Puffer, und du kannst hinterherlaufen!«
    Natürlich war keine Meldung gekommen. Schwanecke hatte Deutschmann angegrinst:
    »Wer soll denn das melden? Die haben das Zeug ja selbst geklaut …«
    Oberleutnant Obermeier versuchte es jetzt selbst am Telefon. Er drehte an der Kurbel und lauschte. Nichts. Die Leitung war tot. »Haben Sie das Bataillon erreichen können?«
    »Auch nicht, Herr Oberleutnant.«
    »Da hilft alles nichts. Ein Störtrupp muß die Leitung abgehen.«
    Oberfeldwebel Krüll atmete auf. Ein Störtrupp – das war Aufgabe der Unteroffiziere.
    So kam es, daß Unteroffizier Hefe mit sechs Mann über die schneeverwehte Straße von Gorki nach Babinitschi zog.
    Schwanecke, der Stärkste, schleppte die Kabelrolle auf dem Rücken. Wiedeck trug das Kontrolltelefon, Schütze Lingmann, ein ehemaliger Feldwebel, der allzugern soff und in seiner Trunkenheit die ganze Welt, einschließlich seiner Vorgesetzten und der ›Reichsführung‹, beschimpfte, trug die beiden schweren Werkzeugtaschen. Am Ende der kleinen Reihe, die auseinandergezogen durch den Schnee stapfte, ging Hugo, der Graf von Siemsburg-Wellhausen. Er war ein stiller, immer hilfsbereiter, nie auffallender Kamerad, der sein Los mit einer gleichgültigen Wurstigkeit trug. In den Akten von 999 war vermerkt, daß er wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Anstiftung von Sabotageakten am Wehrmachtseigentum verurteilt wurde. Die Wahrheit war, daß er Anfang 1943, als die 6. Armee in Stalingrad sinnlos geopfert wurde, einen kleinen Kreis von Offizieren um sich geschart hatte, mit dem Ziel, Widerstand gegen die Machthaber zu leisten, und wenn möglich, Frieden zu schließen, solange es noch Zeit war. Doch bald schon wurde die Gruppe verraten. Sein Leben hatte er nur dem Umstand zu verdanken, daß sein Bruder, der in Spanien lebte und für die deutsche Abwehr arbeitete, dabei über gute Beziehungen mit maßgebenden Kreisen in New York verfügte und verschiedene Dinge ausplaudern konnte, wenn Hugo getötet werden würde …
    Allen voran ging Peter Hefe, die Maschinenpistole in den Händen.
    Die Nacht war eisig und dunkel. Die beiden Männer, die den Draht abgingen, hüpften ab und zu auf der Stelle, um die trotz der Filzstiefel erstarrenden Beine warmzuhalten. An verschiedenen Stellen war die Straße zugeweht. Nur vereinzelte, weit auseinanderstehende Masten zeigten den Verlauf des Weges an.
    An einer Buschgruppe standen Mischa Starobin und Pjotr Tartuchin. Sie hatten sich einen Schneeschutz aus geflochtenen Zweigen gebaut, wie es die Tungusen machen, wenn der Schneesturm über die Steppe heult. Sie kauten Sonnenblumenkerne und starrten in die weiße Nacht.
    »Hast du die Leitung richtig durchgeschnitten?« fragte Tartuchin leise. »Sie müßten längst hier sein. Eine deutsche Kompanie ohne Telefon ist wie ein Säugling ohne Mutter.«
    »Still!« zischte Mischa. »Hörst du?«
    Sie lauschten. Der Wind zog leise singend, pfeifend und raschelnd durch das Gebüsch und über die offene Steppe. Mischa spuckte die Sonnenblumenkerne aus und richtete sich auf. Mitten aus der Nacht kam plötzlich ein Laut, der nicht hierher gehörte: das Klappern der Kabelrolle auf Schwaneckes Rücken, leise, kaum

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