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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach Rußland an den Dnjepr geschickt, um zu faulenzen, das war klar. Schwanecke witterte es: »Diese Stille«, sagte er einmal zu Deutschmann, »das ist Mist. Irgendwas braut sich zusammen. Und wenn es losgeht, sitzen wir mitten im Dreck, sag' ich dir. Es wird Zeit, daß wir irgend etwas unternehmen …«
    Mit einem Nachschubschlitten wurde Schütze Siemsburg nach Orscha gebracht. Deutschmann mußte ihn begleiten und sollte gleichzeitig bei Hauptmann Barth einige wichtige Papiere abholen. Eigentlich sollte dies Peter Hefe tun, aber da Deutschmann sowieso nach Orscha fuhr, meinte Hauptmann Barth am Telefon: »Warum soll nicht mal ein Sanitäter Kurier spielen?«
    Krüll verabschiedete sich von ihm mit den Worten: »Hauen Sie schon ab, Mann! Und wenn es unterwegs schießt, halten Sie ja Ihre Birne hin. Das wäre das Beste für Sie und für mich!«
    Die Fahrt mit dem Motorschlitten nach Orscha ging glatt vonstatten. Wohl sahen sie hin und wieder zerlumpte, eingemummelte russische Bauern, aber der Unteroffizier, der den Schlitten fuhr, winkte ab. »Arme Kerle«, sagte er, »sie versuchen ihre Höfe zu retten – als ob es noch was zu retten gäbe. Sie wurden alle überprüft und sind froh, daß sie nicht mehr in ihren Kolchosen sein müssen. Viele sind Hiwis bei uns und versorgen unseren Nachschub. Partisanen sehen anders aus!«
    Als sie durch Babinitschi fuhren, stand neben der Straße ein zerlumpter Kerl und winkte dem Schlitten zu. Sein eingefallenes Gesicht unter der hohen Fellmütze war gelblichbraun.
    »Guten Morgen, Väterchen!« rief der Unteroffizier vom Schlitten herab.
    Oberleutnant Sergej Petrowitsch Denkow grinste breit.
    »Guten Morrgenn, Briderrchen!« rief er zurück und winkte wieder. Dann ging er weiter, hindurch durch Babinitschi, vorbei am Quartier Oberleutnant Wernhers gegen das freie Land zu, an dessen Horizont der dunkle Wald lag …
    In Orscha gab Hauptmann Barth dem wartenden Deutschmann ein dickes Kuvert. »Einsatzbefehle. Passen Sie gut auf!« sagte er abschließend.
    Deutschmann grüßte und ging. Langsam stapfte er durch den schmutzigen auseinandergezogenen Ort. Er hatte Zeit bis zum Abend. Im Bataillonsgefechtsstand hatte er erfahren, daß der nächste Schlitten erst bei Anbruch der Dunkelheit zurückfuhr. So ging er zum Feldlazarett, einem der wenigen festen Ziegelbauten des Ortes, in dem früher eine Schule war, um Graf Siemsburg zu besuchen. Siemsburg war inzwischen neu verbunden worden und sollte mit dem nächsten Zug nach Borissow kommen. In Orscha hatte man keine Röntgenapparate, um ihn zu durchleuchten.
    »Wenn ich Glück habe, können sie das Schulterblatt flicken«, sagte Hugo und lächelte schwach. »Allerdings kommt es darauf an, welcher Chirurg mich unter die Finger bekommt. Hier erzählt man, daß in Sokolow ein phantastischer Arzt sitzen soll. Ehemaliger Chefarzt einer Universitätsklinik. Aber dahin bringt man wohl keinen von 999 …«
    »Auch nicht wenn er ein Graf ist?« fragte Deutschmann lächelnd. Siemsburg gähnte. Man hatte ihm eine Spritze gegeben, die Schmerzen ließen nach, er wurde müde. »Auch dann nicht. Die Zeit der Grafen ist vorbei«, murmelte er. »Aber sag einmal, du bist doch selbst ein Arzt. Wird man mich wieder einigermaßen zusammenflicken können?«
    »Von der Chirurgie verstehe ich nicht viel, aber soviel ich weiß, kann man das so machen, daß du später nicht mal merkst, daß du verwundet worden bist.«
    »Hoffen wir's«, murmelte Siemsburg, »hoffen wir's. Mußt du jetzt gehen? Vielleicht sehen wir uns irgendwann, irgendwo einmal wieder …«
    Deutschmann schlenderte durch die harten, festgefrorenen, vor Schneewehen fast unpassierbaren Straßen hinunter zum Dnjepr und blieb in der Nähe der hölzernen Brücke stehen, wo er später den Unteroffizier mit dem Motorschlitten treffen sollte. Eis trieb auf den trägen Wellen und brach sich an großen eisernen Dornen, mit denen die Pioniere die Brücke geschützt hatten. Ein Mädchen schleppte sich mit einem großen Korb Holz ab, setzte ihn ab und zu auf den Schnee, wischte sich über das Gesicht und hob den Korb dann wieder auf. So ging es langsam gegen ein kleines, im Schnee halb verstecktes Bauernhaus am Dnjepr zu.
    Deutschmann sah dem Mädchen eine Weile zu und ging dann langsam zum Ufer hinunter, um ihr zu helfen. Hinter ihr blieb er stehen. Ihr Haar glänzte in der Sonne wie schwarzer Lack. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Seufzend bückte sie sich, um den Korb, den sie hingestellt hatte, wieder

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