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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufzuheben. Da legte er die Hand auf ihren Arm.
    Sie fuhr herum, ihr Blick war voller Schrecken und Entsetzen. Über die aus dem schmalen Gesicht leicht heraustretenden Backenknochen lief eine kurze, blasse Röte. Sie preßte ihre Hände gegen die Brust und sah Deutschmann aus den großen schwarzen Augen ängstlich an.
    »Hast du Angst?« fragte er. »Komm, der Korb ist viel zu schwer für dich. Ich trage ihn dir ins Haus.«
    »Njet!« Sie schüttelte den Kopf. Die Angst in ihren Augen verflüchtigte sich. Über ihr Gesicht huschte ein kleines Lächeln. »Ich kann traggenn.«
    »Du sprichst Deutsch?«
    Sie nickte. »Ein bißchen«, sagte sie. »Ein wenigg.« Sie blickte auf die Schulter seiner Uniform und sah, daß er keine Schulterstücke trug. Wie hatte Sergej gesagt? Sie müssen eine Geheimwaffe ausprobieren. Fieberhaft überlegte sie. Was sollte sie tun? Sie mußte ihn ausfragen, festhalten, sie mußte … Kein Soldat auf der Welt läuft ohne Schulterklappen herum. »Bist du schon lange in Orscha?« fragte sie. Deutschmann bückte sich und nahm den Korb mit Holzscheiten auf. »Geh voraus, ich trag' dir den Korb ins Haus.«
    »Danke, Soldatt …«
    Sie schritt ihm voran, in Stepphosen und welligen Stiefeln. Beim Gehen wiegte sich ihr Körper leicht; sie war schlank, fast unwirklich schmal in der Taille. Deutschmann hatte bislang eine andere, landläufigere Vorstellung von Russinnen. Er dachte, wie es üblich war, daß alle klein, dick und rund seien. Doch dieses Mädchen hier …
    »Serrr schwerr?« fragte sie nach hinten.
    »Nicht sehr.«
    »Nicht für einen Mann«, lachte sie. Ihre Zähne waren weiß wie der Schnee ringsherum.
    Durch Deutschmanns Gehirn schoß ein kurzer, scharfer Gedanke an Julia. Sehr deutlich sah er sie plötzlich vor sich stehen – und vergaß es wieder. Der Korb war schwer und drückte ihm auf die Schulter. Er war nicht gewohnt, Lasten zu tragen.
    Das Mädchen stieß die Tür der Hütte auf. Deutschmann schleppte den Korb hinein und stellte ihn aufatmend neben das lustig flackernde Feuer, an den gemauerten Ofen.
    »Nicht herumsehen«, sagte sie leise. »Es ist Krieg, und Krieg ist schmutzig.« Deutschmann lauschte entzückt dem Klang ihrer weichen, melodischen Stimme, die der starke slawische Akzent noch anziehender machte. Er hatte viel darüber gehört, wie hübsch es klingt, wenn Russinnen Deutsch sprechen. Nun hörte er's zum erstenmal selbst. Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem sonst Sergej saß und betrachtete ein Ikonenbild, das verraucht und vom Alter dunkel geworden an der Wand neben dem Ofen hing.
    »Die Heilige Mutter von Kasan«, sagte er.
    »Du kennst sie, Soldatt?«
    Deutschmann lächelte. »Wie alt bist du?« fragte er auf russisch.
    Sie fuhr herum und starrte ihn wieder ängstlich geworden an.
    »Zwanzig Jahre«, sagte sie, ebenso auf russisch.
    »Sehr jung – und sehr hübsch«, sagte er. Ein merkwürdiger, nie gekannter Leichtsinn überkam ihn, ließ ihn leicht und fröhlich und neugierig auf den Ausgang dieses Abenteuers werden.
    »Du sprichst Russisch?« fragte sie.
    »Soviel wie du Deutsch.«
    Über Deutschmanns Gesicht zuckte das schwache Licht des offenen Feuers auf dem Herd. »Wer bist du?« fragte er. »Wie heißt du?«
    »Tanja«, sagte sie.
    »Tanja – sehr hübsch. Und was machst du hier? Lebst du ganz allein?«
    »Ja.«
    »Hast du keine Angst – vor dem Krieg, vor uns?«
    »Ja. Ich habe Angst. Vor dem Krieg – und vor euch. Warum hast du getragen Korb?«
    »Um dir zu helfen. Er war zu schwer für dich.« Deutschmann erhob sich. »Also – Tanja – Tanjuschka, wie ihr sagt, ich muß jetzt gehen.«
    »Wohin?«
    »Wohin? Zu meinen Kameraden.«
    »An den Wald von Gorki?«
    Deutschmann fuhr herum und schaute sie mißtrauisch an. Aber sie lächelte ihn an wie ein unschuldiges Kind. Ihr Gesicht war mild und sanft, über ihr schwarzes Haar huschte rötlich der Widerschein des Feuers. »Woher weißt du das?«
    »Das weiß jeder. Alle Truppen, die hier vorbeiziehen, gehen nach Babinitschi und Gorki.«
    »Du bist nicht von Orscha?«
    »Warum?«
    »Du hast ein anderes Gesicht. Woher kommst du?«
    »Von der Wolga … Kennst du Wolga?«
    »Nein.«
    »Du würdest Wolga nie vergessen. Sie ist schön, wunderschön. Sie ist …«
    »Du bist wunderbar«, unterbrach Deutschmann sie leise.
    Sie lachte. Es klang hell, silbern und frei. »Willst du essen?« fragte sie.
    »Du hast doch selbst nichts. Ich habe keinen Hunger.«
    »Es ist eine russische Sitte, du bist in Rußland,

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