Strafbataillon 999
darüber könnte man geteilter Ansicht sein, Herr Hauptmann. Was heißt das: Zwischen Gorki und Babinitschi nach dem vorliegenden Plan Auswerfen eines Grabensystems? Das ist doch Schanzen. Sie sagten, wir sollten etwas anderes …«
»Alles überholt, Obermeier, alles überholt. Sie wissen ja, wie das geht: Heute das, morgen wieder etwas anderes. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut, und so viel Köpfe, so viel Pläne. Wollen Sie noch mehr Zitate?«
»Wann sollen wir anfangen?«
»Morgen.«
»Die Erde ist bis zu einem Meter steinhart gefroren. Darauf liegt zirka siebzig Zentimeter Schnee.«
»Was hat das mit dem Schanzen zu tun? Es gibt Spitzhacken und für hartnäckige Fälle Sprengladungen.«
»Außerdem werden hinter Gorki mehr als anderthalb Kilometer der Strecke vom Feind eingesehen. Sollen wir etwa bei voller Feindeinsicht schanzen?«
»Obermeier, hören Sie mal zu!« Barths Stimme wurde trocken und hart. »Sie denken zuviel, und Sie reden zuviel. Wenn in dem Befehl steht: Auswerfen eines Grabensystems zwischen Gorki und Babinitschi, dann gilt das auch für den vom Feind eingesehenen Teil! Dort wird entweder nachts oder am frühen Morgen gearbeitet. Das Oberkommando der Wehrmacht rechnet damit, daß nach Abflauen der Frostperiode, also etwa gegen Ende Februar, der Russe einen großen Gegenangriff unternimmt und den Keil, der noch immer auf Smolensk zeigt, zusammendrückt. Witebsk ist in Gefahr. Dort liegt kaum Schnee, die Schlammstraßen sind gefroren und sind eine ideale Rollbahn für die russischen Panzer. Im Süden – bei Kiew – stoßen die Russen über den großen Dnjepr-Bogen vor und wollen unsere Flanke aufreißen. Es stinkt an der ganzen Front, Obermeier. Hier soll eine Auffangstellung gebaut werden, von der ziemlich viel abhängt. Wieviel können Sie schon daraus ersehen, daß sie so knapp hinter der ersten Frontlinie ausgeworfen wird. Es geht um die Rollbahn, mein Lieber. Und die Truppen, die von Smolensk zurückgedrängt werden, sollen hier ein neues, verteidigungsreifes Grabensystem vorfinden. Darum müssen wir schanzen auf den Teufel komm 'raus! Auch unter Feindeinsicht …«
Obermeier legte die Papiere neben das Telefon. »Bei diesen Arbeiten wird die halbe Kompanie draufgehen«, sagte er erschüttert.
»Sagen Sie besser: Zwei Drittel der Kompanie. An der Front gibt es Bataillone, die aus einem jungen Leutnant und zwanzig bis dreißig Mann bestehen. Im übrigen scheinen Sie immer noch nicht den Sinn der Sache erfaßt zu haben.«
»Also – ein besseres Todesurteil.« Obermeiers Stimme sollte spöttisch klingen, aber sie tat es nicht. Sie war erschrocken und verzweifelt.
»Todesurteil! Sie sind wirklich zu romantisch. Lassen Sie doch endlich diese großen Worte! Sie haben einen klaren Einsatzbefehl erhalten, weiter nichts. Glauben Sie ja nicht, daß Wernher besser dran ist. Er muß mit seiner Kompanie entlang der Straße nach Orscha Baumwälle bauen, um die Verwehungen aufzuhalten. Jede Nacht zerstören die Partisanen, was er tagsüber gebaut hat. In der letzten Nacht wurde er beschossen. Er hat vierzehn Tote und vierunddreißig Verletzte. Eine ganze Partisanengruppe, die übrigens blendend geführt wird, lieferte ihm eine regelrechte kleine Schlacht mit MGs und Granatwerfern. Wollen Sie noch etwas wissen, Obermeier?«
»Nein, Herr Hauptmann.«
Obermeier hängte ab. Er saß in der halbdunklen Hütte und starrte auf die Kerzen, die auf den Blechkisten klebten.
Draußen brüllte Krüll herum. Er hatte Schwanecke, Wiedeck und Deutschmann überrascht, wie sie über einem Holzfeuerchen eine Bouillon aus Brühwürfeln kochten. »Aus dem Paket von meiner Braut, kennen Sie sie nicht?« erklärte Schwanecke. Daß er kein Paket erhalten hatte, wußte er genausogut wie Krüll: Die Würfel hatte er bei dem zweistündigen Aufenthalt in Orscha aus der Rote-Kreuz-Verpflegungsstelle geklaut.
»Eine Bande!« schrie Krüll außer sich. »Welch eine Erlösung wäre für mich euer Heldentod!«
Obermeier trat aus der Hütte und winkte Krüll herbei. »Fünfundzwanzig Mann müssen heute nacht nach Babinitschi fahren und das Gerät holen. Drei Schlitten genügen. Ab morgen wird geschanzt.«
»Geschanzt?« Krülls Gesicht war dumpf und verständnislos. Er sah über die Schneewüste und verzog den Mund. »Hier?«
»Wo denn sonst?«
»Au Backe!«
Obermeier sah Krüll mit Widerwillen an. »Unterlassen Sie diese dämlichen Bemerkungen, Oberfeldwebel! Soviel mir bekannt ist, haben Sie bis jetzt
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