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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine leere Tonne und wischte sich über das Gesicht. »Drecknest!« sagte er voller Verachtung.
    Über die zarten, mädchenhaften Züge des Unterarztes glitt ein Lächeln. »Und ich dachte, Sie würden sich wohl fühlen, wenn wir in Rußland sind, Kronenberg?«
    »Wieso?«
    »Sie sind doch – was man ein altes Frontschwein nennt. Wie oft waren Sie in Rußland?«
    »Jetzt bin ich zum viertenmal hier.«
    »Es heißt doch, daß sich der deutsche Landser, der einmal an der Front war, in der Etappe nicht wohl fühlt. Sobald er dann die HKL wittert, wird er lebendig und blüht auf. Ein moderner Landsknecht. Stimmt das?«
    Jakob Kronenberg steckte sich eine Zigarette an. Er sah dem Soldaten eines Baubataillons nach, der mit seiner verbundenen Hand über die Geleise trottete und zurück zu den Kolonnen ging, die die durch Granaten zerfetzten Schienen auswechselten und Weichen reparierten.
    »Weiß nicht«, sagte er. »Vor dem Gedanken, wieder nach Rußland zu kommen, hat jeder einen Bammel. Aber wenn man dann wieder hier ist, dann denkt man doch irgendwie, wieder zu Hause zu sein. Klingt blöd, was? Rußland und zu Hause?«
    »Warum nicht?«
    »Na ja – dieses trostlose Land und dann die Menschen, die am Tage unsere Munition auf die Lastwagen schleppen und in der Nacht dieselben Wagen in die Luft jagen?«
    »Aber alle können doch nicht Partisanen sein!«
    »Alle nicht, aber 'ne Menge. Mehr als wir denken.« Kronenberg behielt beim Sprechen die Zigarette im Mund.
    »Wir kommen nach Barssdowka«, sagte der Kommandeur, »das Nest liegt am Dnjepr, das armseligste Kaff im Mittelabschnitt, das man sich vorstellen kann!« Er schnippte die Zigarettenkippe weg und erhob sich von seiner Tonne. Der scharfe Schneewind zog in einem langen Stoß über die Ebene. Er knöpfte seinen Lammpelz zu. »Sie kommen aus Warschau, Herr Unterarzt. Sie wissen noch nicht, was es heißt … na ja, Sie werden's ja merken! Unsere Leute kommen mir vor wie Tontauben, mit denen die Russen schießen lernen. Es wird 'ne Menge Arbeit geben.«
    »Aber wir schießen ja auch, Kronenberg, oder?«
    Kronenberg sah den Unterarzt verwundert an. »Na ja, sicher«, sagte er, »dafür ist eben Krieg. Wir wollen die Bolschewiken vernichten, und die Bolschewiken wollen die Nationalsozialisten vernichten, und beide behaupten, sie hätten recht …«
    »Und wer hat recht?«
    Kronenberg spuckte aus und sagte abschließend: »Wir natürlich, Herr Unterarzt, wer denn sonst?«
    Stabsarzt Dr. Bergen kletterte über einen Haufen Schienen und stapfte zu dem Lazarettzug zurück. Dr. Hansen sprang aus seinem Waggon und ging ihm entgegen.
    »Haben Sie etwas erreicht, Herr Stabsarzt?«
    Dr. Bergen nickte grimmig. »Ich habe festgestellt, daß wir hier eine mustergültige, fast friedensmäßige Verwaltung haben. Ich meine insofern, daß nämlich niemand zuständig ist. Ein Haufen Offiziere, ein Haufen Dienststellen …« Dr. Bergen winkte mit einer müden Handbewegung ab.
    »Hauptmann Barth hat Lastwagen für die Nacht versprochen.« Dr. Hansen zog den Ohrenschützer herunter. »Ein scharfer Wind«, sagte er. »Wenn alles gut geht, sind wir übermorgen in Barssdowka aufnahmebereit.«

Sie warteten bis zum Einbruch der Dunkelheit. Als der fahle Himmel grau wurde und schließlich stumpfschwarz, klapperten ein paar Lastwagen über das Bahngelände und hielten vor dem Lazarettzug. Ein Oberfeldwebel meldete sich beim Stabsarzt.
    Dr. Bergen betrachtete die alten Beutewagen. »Mit diesen Wracks wollen Sie fahren?«
    »Warum nicht? Mit den Klapperkästen haben wir schon ganz andere Sachen transportiert!«
    Kronenberg nahm den Oberfeldwebel zur Seite:
    »Er ist zum erstenmal in Rußland. Halt die Schnauze und mach, was du für richtig hältst. Am Ende wundert er sich, wie gut wir in Barssdowka landen.«
    »Wenn sie uns nicht erwischen!«
    »Partisanen?«
    »Genau. Bei Gorki ist die Hölle los!« Der Oberfeldwebel winkte die Lastwagen zu einer Rampe, auf der jetzt Kisten mit dem Verbandsmaterial, den Medikamenten, den chirurgischen Bestecken und die zusammenklappbaren Betten aufgestapelt wurden. »Wie lange wollt ihr denn in Barssdowka bleiben?«
    »Bis zum Endsieg«, grinste Kronenberg.
    In Barssdowka erwarteten sie der Hilfssani Ernst Deutschmann und einige Männer der 2. Kompanie. Die Straße durch das zerschossene Dorf war vom Schnee reingefegt, die Telefonleitungen waren schon gelegt, eine große Scheune und ein zusammengeflicktes Bauernhaus waren ausgeräumt worden und dienten als

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