Strafbataillon 999
federte in den Knien. Die Schneide seines Dolches schimmerte matt.
So standen sie sich gegenüber. Keiner dachte mehr. Und plötzlich schnellte Tartuchin mit einem ächzenden Laut vor, stieß mit der Hand blitzschnell zu, doch Schwanecke wich aus, zog das Knie an und trat Tartuchin gegen den Unterleib.
Der Mongole brüllte auf. Tierisch, wie ein angeschossener Wolf. Sein Körper klappte zusammen, doch sein Gesicht blieb aufwärts gekehrt. Schwanecke stürzte vor und stieß die Faust mit dem Dolch gegen dieses Gesicht, in die verzerrte Fratze, die wie ein Irrwisch vor ihm hin und her huschte.
Tartuchin wich dem Stoß aus. Er drehte sich um seine eigene Achse und stieß zu, als Schwanecke an ihm vorbei, hinter seinem eigenen Stoß herfiel.
Schwanecke konnte nicht ausweichen, er sah eigentlich den blitzschnellen Stoß des Mongolen gar nicht. Ein heißer, stechender Schmerz in der rechten Hüfte durchjagte ihn. Und fast zugleich fühlte er etwas Warmes über seinen Schenkel fließen.
»Hund, du verfluchter!« keuchte er, sprang zur Seite und stolperte. Das rechte Bein wurde leblos, er konnte sich nicht mehr darauf stützen.
Tartuchin umkreiste ihn. Er warf einen kurzen, schnellen Blick auf die Schneide seines Dolches, sah, daß sie blutig war und begann zu grinsen. Ein wilder Taumel ergriff ihn. Blut! Blut! Sein Blut! »Ich werde dich töten!« keuchte er. Und wieder: »Ich werde dich töten!« keuchte er. Und wieder: »Ich werde dich töten – ich werde dich töten!«
Schwanecke schwieg. Sein rechter Schenkel brannte wie Feuer. Er haßte den andern nicht mehr. In ihm war ein kalter, eisiger Wille zum Töten. Er war ruhig. Und der Schmerz nicht sein eigener Schmerz. Er war außer ihm, denn nichts, was nicht töten hieß, hatte mehr Platz in seinem Körper. Er sah das gelbe, verzerrte Gesicht um sich kreisen und bewegte sich mit, immer um sich selbst, den Dolch in der vorgestreckten Faust. Und dann plötzlich warf er sich wie von einer Sehne abgeschnellt auf die kleine, zusammengebückte Gestalt des Mongolen. Sein Sprung kam so plötzlich, lautlos und unvorbereitet, mit einer eiskalten, berechnenden Wildheit, daß Tartuchin nicht mehr ausweichen konnte. Er ließ sich nur in den Schnee fallen und stieß die Faust mit dem Dolch nach oben. Aber er traf Schwanecke nicht. Er sah Schwaneckes Gesicht über sich, ganz nah, jedes Barthaar erkennend: Ein kaltes, regungsloses, erstarrtes Gesicht, das sich nicht einmal verzog, als Tartuchin weitausholend zustach und Schwanecke in den Rücken traf.
Da brach in Tartuchin eine Welt zusammen. Er spürte die kurze Dolchklinge in seinen Körper dringen, einmal – noch einmal – und er fing grell, um sich schlagend, zu schreien an. In seiner Stimme waren Angst, Grauen, Verzweiflung über den Tod, der auf ihm hockte – und Sehnsucht nach dem Leben. Mit einem verzweifelten Aufheulen schleuderte er Schwanecke zur Seite, rollte abseits und sprang zugleich mit Schwanecke wieder auf. Und dann sah er die Hand des Deutschen mit dem Dolch wieder vorzucken.
Da verlor Tartuchin die Kraft und sein Gesicht.
Er wandte sich ab und rannte schreiend die Straße entlang, durch den wirbelnden Schnee laufend, sich vorwerfend, nur weiter, so weit wie möglich von diesem Dämon, in die fahle Dämmerung, die über die Wälder kroch und die Spitzen der Bäume aus dem Schwarz des Himmels hob. Hinter sich hörte er lautes, irres Lachen. Mit blutendem Gesicht, den brennenden Körper voller Wunden, taumelte er voran. Er weinte.
Er keuchte und sprach – aber wahrscheinlich dachte er nur, daß er es laut sagte, denn die Worte sprangen ihn von überall her an, er war voll von ihnen: »Er ist stärker als ich, er ist viel stärker – ich habe Angst – ich habe Angst, er ist der große, einsame und furchtbare Wolf …«
Er merkte nicht einmal, daß er in den Schnee fiel und auf allen vieren dem Wald entgegenkroch. Hinter sich zog er einen roten Streifen wie eine dünne Schnur, die sich von seinem Körper abspulte. Er dachte: Laß mich sterben – laß mich sterben – er hat mir die Kraft genommen, den Mut und die Seele … Aber er kroch weiter, richtete sich auf und taumelte dem Wald zu. Mit der Hand schöpfte er etwas Schnee hoch und drückte ihn auf die brennenden Wunden im Gesicht.
Schwanecke fiel in die Knie, als Tartuchin hinter dem Schneevorhang untergetaucht war. Er lachte immer noch, aber sein Lachen hatte sich gewandelt. Der Triumph war aus ihm verschwunden und machte der Verzweiflung über
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