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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den rasenden Schmerz Platz. Seine rechte Seite war wie abgestorben, und die Wunde im Rücken brannte, als habe jemand Salz hineingestreut. Mit dem Kopf sank er in den Schnee und fühlte die eisige Kälte dankbar auf seiner Stirn. Doch er durfte nicht – durfte nicht … Auf den Knien rutschte er über die Straße, zog sich wimmernd an dem Schlitten empor, auf den Sitz und fiel über das Steuerrad. Er mußte weiter. Jede verlorene Minute brachte ihn näher an den Tod, und er wollte nicht sterben. Er mußte weiter, weiter … er tastete nach dem Zündschlüssel, drehte ihn herum, gab Gas, der Motor sprang an: klappernd, kalt geworden, rumpelnd. Der Sitz schüttelte.
    Und dann schoß der Schlitten heulend davon, von der Straße weg, in einem Bogen über das Feld, zurück zur Straße und mit höchster Geschwindigkeit auf Barssdowka zu.
    Schwanecke lag über dem Steuerrad. Er fuhr durch eine nebelhafte Traumwelt, in der nur seine Schmerzen wirklich waren. So kam er in Barssdowka an: ein heulender Schlitten, der wie betrunken von einer Straßenseite zu anderen fuhr und vor dem Verbandsplatz schleudernd in einen hohen Schneehaufen raste.
    Langsam, als wollte er auch jetzt noch nicht nachgeben, fiel Schwanecke auf die Seite, versuchte sich festzuhalten und rollte dann zusammengekrümmt in den Schnee.
    Kurz darauf fand ihn Jakob Kronenberg ohnmächtig im Schnee liegen.
    Berlin:
    Dr. Franz Wissek, Chirurg an der Charité, behauptete von sich, er sei ein Glückspilz. Dies läßt sich nur aus seinem Wesen erklären; ein anderer an seiner Stelle hätte von sich gesagt, er sei ein Pechvogel: Dr. Wissek hatte nämlich nur ein Bein und auch sonst am Körper einige tiefe Narben, die ihm das Jahr 1941 geschlagen hatte.
    Doch hatte seine private Philosophie – aus der Nähe gesehen – einiges für sich. Als hoffnungsvoller junger Chirurg wurde er 1939 eingezogen und arbeitete in Polen – Frankreich – auf dem Balkan – und dann im Rußlandfeldzug an ungezählten Truppenverbandsplätzen. 1941 wurde bei einem Gegenangriff der Russen sein Verbandsplatz überrollt. Die deutschen Truppen fanden ihn nach dem Gegenangriff in einem Loch liegen; sein halb abgerissenes Bein hatte er, so gut es ging, selbst abgebunden. Noch am gleichen Tage wurde es ihm amputiert. Er hätte also allen Grund zur Niedergeschlagenheit. Aber Niedergeschlagenheit paßte nicht zu Wissek, und so sagte er, die meisten seiner Kameraden wären bei dem russischen Artillerieüberfall gefallen, er aber blieb am Leben. Zudem fielen jeden Tag soundso viele junge Menschen. Er aber lebte noch. Ist das etwa kein Grund zu behaupten, man sei ein Glückspilz? Ob mit oder ohne Bein, das bleibt sich gleich. Mit einem Bein kann man genausogut operieren wie mit zwei, zumal seine Kollegen Orthopäden so verteufelt gute künstliche Beine zu bauen verstünden. Die Sonne scheint auch für die Menschen mit einem Bein, sagte er. Und weiter – und das, was man so über ihn hörte, schien ihm recht zu geben – es gäbe auch 'ne Menge hübscher Frauen, denen es überhaupt nichts ausmachte.
    Genauso unbekümmert wie gegen seine eigenen Leiden – bei den langen ›Stehsitzungen‹ im Operationssaal hatte er oft unerträgliche Schmerzen –, war er auch gegen Vorurteile jener Zeit, und was noch wichtiger war, gegen wirkliche oder vermeintliche Gefahren, die aus ihr erwuchsen. Er war früher, bevor Deutschmann zum Strafbataillon kam, sein und Julias Freund gewesen. Er blieb es auch weiterhin. Und so kam es, daß Julia zu ihm ging, als sie alle Vorarbeiten für den Selbstversuch beendet hatte und darangehen konnte, ihn durchzuführen.
    Groß, etwas vornübergebeugt, sich schwer auf sein gesundes Bein stützend, mit lachenden grauen Augen und einem dunklen, wirren Haarschopf über der Stirn, begrüßte er Julia in einem Gang der Charité.
    »Ich hab' dich lange nicht gesehen, Mädchen«, sagte er, und Julia, die in den letzten Wochen und Monaten sehr empfindlich geworden war, bemerkte, daß er sich wirklich freute, sie zu sehen. Es wurde ihr warm ums Herz, und sie fragte sich, warum sie nicht schon eher zu ihm gegangen war – irgendwann, um eine oder zwei Stunden mit ihm in einem Lokal zu sitzen oder draußen auf dem Wannsee zu segeln. Aber dann sagte sie sich, daß es so sicher besser war: Es hatte eine Zeit gegeben, wo sie nahe daran war, ihr Herz an den großen, unbekümmerten Jungen zu verlieren – genauso wie ein paar Dutzend Mädchen und Frauen vor ihr und nach ihr. Er hatte damals

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