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Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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Täters. Sozusagen eine ganz bodenständig-natürliche, schwarzwälderische Art des »Profiling«.
    Und nach dem, was Winterhalter über das Mordopfer Mielke bisher in Erfahrung gebracht hatte, verfestigte sich zunehmend ein Bild, dass dieser nicht nur ein zügelloses und eher selten von Arbeit geprägtes Leben geführt hatte, sondern auch eines voller Risiken. Er hatte sich in die Spieler- und Rotlichtszene verstrickt, hatte hohe Schulden angehäuft und sich vermutlich mit Leuten eingelassen, von denen man sich besser fernhielt.
    Nach dem Casinobesuch und dem Eishockeyspiel in Ravensburg hatte Winterhalter mehrfach mit Kollegen »vom See« telefoniert. Und die hatten ihn auf eine interessante Spur gebracht: Nicht nur die Spieler- und die Rotlichtszene waren um den Bodensee herum stark miteinander verstrickt. Auch die Rockerszene spielte eine wichtige Rolle. Die Motorradgang »Blue Heroes« besaß einige einschlägige Lokale oder leistete Türsteherdienste für andere. Sie war für ihre mitunter unorthodoxen, teilweise brutalen Methoden bekannt. Auch in den diversen Spielcasinos waren die »Blue Heroes« regelmäßig zu Gast und hatten das ein oder andere Mal schon für Probleme gesorgt. Besonders wenn sie auf ihre Rivalen trafen – die »Silver Bulls«.
    Mit denen hatten sich die »Blue Heroes« in der Vergangenheit schon mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen geliefert. Eine hatte sogar in einer Schießerei vor einem bekannten Konstanzer Bordell gegipfelt.
    Die Kollegen vom See hatten Winterhalter gewarnt, sich nicht allein in eines der Lokale der Rockerszene zu begeben. Doch der Schwarzwälder Beamte war zum einen schicksalsergeben und zum anderen davon überzeugt, mit seinem vielleicht manchmal etwas direkten, aber doch immer menschlichen Auftreten stets etwas Positives zu erreichen – und dies, ohne sich selbst in ernsthafte Gefahr zu bringen. »Deeskalationsfördernd« hätte er gesagt, wenn er solche Worte gebraucht hätte. Wäre er gleich mit mehreren, womöglich auch noch uniformierten Beamten dort aufgetaucht, hätte man das sofort als Provokation empfunden. Also hatte er Müller und den Kollegen zunächst nichts von seiner Recherche gesagt.
    Es war wirklich alles eine Frage der Menschenkenntnis.
    Als er an die stählerne Tür des schäbigen Gebäudes in dem Singener Stadtteil pochte, hatte er wieder sein traditionelles Outfit gewählt: Filzhut, Kniebundhose, dicke Strümpfe, klobige Wanderstiefel und dazu eine graue, rustikal anmutende Strickjacke mit Trachtenknöpfen. Er hätte an diesem Abend auch eine alte Motorradlederhose aus seiner Jugendzeit anziehen können, doch hätte er dies als unangemessene Anbiederung empfunden.
    Mal abgesehen davon, dass diese ihm sicher nicht mehr gepasst hätte …
    Sein Blick schweifte hinüber zum höchsten Kegel der Hegauer Vulkanberge, dem mächtigen Hohentwiel, dessen Umrisse sich schön im nächtlichen Mondlicht abzeichneten. Sogar die Konturen der Burgruine konnte man erahnen.
    Er atmete tief durch. Die Luft im Schwarzwald schmeckte besser, war klarer und trockener als die Singener Luft – wenn auch die Temperatur hier wärmer und erträglicher erschien. Winterhalter hatte nicht nur kriminalistisch ein feines Näschen. Jetzt erspürte er einen feinen Geruch von Industrieabgasen, die eine Verbindung eingingen mit Maggikräutern, die in der Stadt verarbeitet wurden, sowie mit der feuchten Luft, die vom Bodensee herüberzog. Es war – das musste er zugeben – eine durchaus interessante Note. Den Duft seiner Schwarzwaldfichten oder seiner Tiere zog er aber allemal vor.
    »N’Obed«, grüßte er den dicken, unrasierten Kopf, der ihn durch das kleine Fensterchen anstarrte. »Winterhaalder, Kripo Villinge-Schwenninge. I hät do emol e paar Frage an euren Chef.« Winterhalter reichte seinen Dienstausweis hinein und setzte sein Lausbubenlächeln auf. Seine Backen leuchteten rot – nicht vor Aufregung, sondern weil sie ein Markenzeichen des kernigen, gesunden Schwarzwälder Naturburschen waren.
    Der Dicke musterte ihn von oben bis unten.
    »Kripo VS? Was macht ihr denn hier unten am See? Und um was geht’s, du Spaßvogel?«
    »Sie hän’s viellicht g’hört. In Schwenninge isch en Ma’ im Eisstadion erschosse wor’e. Des Opfer soll i de Rotlichtszene am See verkehrt habe. Un i wollt Sie frage, ob Sie den Ma’ kennet.« Er reichte dem Dicken ein Foto von Mielke durch das Fensterchen, das er von der Ehefrau bekommen hatte.
    Mielke wirkte darauf, als hielte er

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