Strafzeit
auf der Tribüne sitzt.«
»Also die Rotlichtspur. Dann lass uns doch gleich heute Abend mal dieses Etablissement besuchen«, schlug Riesle vor.
»Mal sehen«, blockte Hummel ab. In seinem Herzen stritt immer noch der Wunsch, den Fall zu klären, mit demjenigen, sich keinen Ärger einzuhandeln. »Erstens warten Korrekturen auf mich zu Hause, und zweitens sollte ich zweifelsohne wohl mal ein Auge auf mein Fräulein Tochter werfen.«
»Im Bistro hatte ich den Eindruck, dass auch einer dieser Knilche ein Auge auf sie geworfen hat«, mutmaßte Klaus.
Hummel blieb die Antwort schuldig. Die Geschichte, wie er Martina und ihren Besuch am Sonntagmorgen überrascht hatte, würde er allenfalls mal nach einigen Bieren im Bistro von sich geben.
11. DAS LIEB-MICH-ZENTRUM
Auch der Dienstagmorgen verging außerordentlich zäh. Hubertus war mit den Gedanken bei »seinem« Fall, bemühte sich aber, das niemanden merken zu lassen – die Schüler schon gar nicht.
Zudem machte er sich allmählich Sorgen um seinen Ruf: Wenn sich Elke und Bröse nicht nur auf dem Wochenmarkt, sondern auch schon gemeinsam bei Vereinsfesten und Versammlungen in der Stadt sehen ließen, würde es nicht mehr lange dauern, bis ihn die ersten Kollegen darauf ansprachen – oder gar Schüler.
Er hingegen besuchte in der Zwischenzeit Casinos und am heutigen Abend sogar ein Bordell, denn so war es mit Klaus ausgemacht. Nein, das war nicht gut. Und auch wenn es albern sein mochte: Tarnung war angesagt.
Zum Glück kam er mit dem Kollegen Barsch, Erd- und Gemeinschaftskunde, gut aus, denn der leitete die Theater-AG der Schule. In der vierten Stunde hatte er frei, da würde er sich aus dem dortigen Kostümfundus etwas aussuchen, beschloss Hubertus.
Der Plan scheiterte in doppelter Hinsicht: Erstens war Barsch krank, und zweitens musste Hummel ihn in dieser vierten Stunde in einer siebten Klasse vertreten.
Na toll, dachte Hubertus. Barsch war nun schon der vierte Lehrer, der heute fehlte. Außer ihm waren es noch Hübner, dann Geiger, der junge Deutsch- und Geschichtslehrer, den er auch ab und zu im Bistro traf, und Ziegler, der als Zeuge des Mordes immer noch nervlich angeschlagen und deshalb für drei Tage außer Gefecht gesetzt war. Dazu der tote Mielke – das bedeutete Stress pur in nächster Zeit.
Burgbacher, schoss es Hubertus durch den Kopf. Er rief den Freund in der Fünf-Minuten-Pause vor der fünften Stunde per Handy im Landratsamt an.
»Eddi«, rief er in den Hörer, »ich brauche deine Hilfe.«
Um vierzehn Uhr traf Hubertus seinen Freund Burgbacher vor dem Zähringer-Theater.
Der schüttelte zwar ob seines Anliegens nur fassungslos den Kopf, erklärte sich dann aber bereit, Hubertus einen gewaltigen Schnurrbart aus der Aufführung des »Grafen von Monte Christo« zu leihen.
Burgbachers dröhnendes Lachen begleitete Hubertus noch, als er schon wieder in der Niederen Straße im Kern der Zähringerstadt war.
»Wie ein Zuhälter, der ein paar Wochen die Sonnenbank ausgelassen hat«, sehe er mit diesem Kaiser-Wilhelm-Bart aus, hatte Burgbacher noch gemeint. Und: Er solle dazu unbedingt Riesles zitronengelbes Sakko anziehen.
Kurz vor einundzwanzig Uhr parkten Riesle und Hummel nach halbstündiger Fahrt in Richtung Süden in der Nähe des »Love-Me-Centers« in einem Industriegebiet bei Blumberg. Die Grenzstadt zur Schweiz bemühte sich rege um die Ankurbelung von Wirtschaft und Tourismus.
Vorsichtshalber hatten sie Riesles Opel auf einem Parkplatz einer anderen Firma wenige Hundert Meter entfernt abgestellt. In dem Gewerbegebiet hatten sich zur Freude der Stadtväter auch einige Schweizer Unternehmen angesiedelt. Und vor dem »Love-Me-Center« waren sogar primär Fahrzeuge mit eidgenössischem Kennzeichen zu sehen. Der grenzüberschreitende Verkehr bekam hier eine ganz neue Bedeutung.
Auch Klaus hatte sich ausgeschüttet vor Lachen, als er den Aufzug von Hubertus erspäht hatte: ein Hawaiihemd, von dem nur der Kragen zu sehen war, weil Huby einen Strickpulli darüber trug. Dazu eine Winterhose und Moonboots.
»Nein, Edelbert hat unrecht«, kommentierte Klaus. »Du siehst mit dem Bart nicht aus wie ein Zuhälter … Eher wie ein Vollidiot.«
Er selbst war wie meist mit Jeansjacke und Jeanshose bekleidet, auch wenn ihm das an diesem Abend zu kalt war.
Viel los war in dem Bordell nicht gerade. Ein halbes Dutzend Gäste befand sich in der improvisierten Bar, in der Kontakte angebahnt wurden. Von Suney und Mukmin keine Spur. Umso mehr
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