Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
Vom Netzwerk:
Thomsen«, meldete sich die Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Dag. Mein Name isch Winderhaalder. I bin vu de Kripo Villinge-Schwenninge.«
    Der Gesprächspartner glaubte offensichtlich, mit einem Ausländer zu sprechen, der nur ein gebrochenes Deutsch herausbrachte.
    Jedenfalls schwieg er zunächst und sprach dann ganz langsam.
    »Wer … sind … Sie? Haben … Sie … einen Hinweis … zu geben?«
    Winterhalter stutzte. Seltsamer Typ. Unterkühlter Norddeutscher ganz offenbar.
    »Ha, nei, eher umgekehrt, hoff i. I bin en Kolleg us’em Schwarzwald und beschäftig mi grad mit dene Rocker.«
    Wieder Stille am anderen Ende.
    »Noch einmal: Wer sind Sie?«, fragte er dann wieder.
    Winterhalter schnaufte erneut, schnäuzte sich und sprach ebenso langsam wie Thomsen und mit nur halber Dialektstärke: »I … bin … ein Kollege. Winterhalder. Kriminalpolizei Villinge-Schwenninge … Schwarzwald … Ich ermittle im Rockermilieu.«
    Jetzt fiel in Kiel der Groschen.
    Schwarzwald, da war Thomsens Frau früher bereits zweimal zur Kur gewesen. Dass es da auch eine Polizei gab, erschien ihm nach kurzem Nachdenken logisch. So wie dieser Kollege klang, hatte die wohl vorwiegend mit Hühnerdiebstählen zu tun.
    Und jetzt anscheinend mit Rockern.
    Mit leicht pikierter Stimme gab Thomsen grob Auskunft über den Ermittlungsstand. Zwölf Verletzte hatte es seinen Worten zufolge bislang durch die Rockerauseinandersetzungen allein in Schleswig-Holstein gegeben. Der Innenminister erwog sogar, die beiden Rockergruppen kurzerhand als »kriminelle Vereinigungen« zu verbieten.
    Intensive Kontakte ins Rotlichtmilieu, Förderung der Prostitution. Schutzgelderpressung. Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Und so weiter. Die Bürger erwarteten ein Durchgreifen seitens der Politik.
    Er hatte eigentlich überhaupt keine Zeit, diesem Dorfschulzen im Süden Nachhilfe zu erteilen, überlegte sich Thomsen. Kiel, das war schließlich ein anderes Pflaster als – wie hieß dieser Ort gleich wieder?
    »Villinge-Schwenninge«, wiederholte Winterhalter.
    »Klingt sehr ländlich«, meinte Thomsen.
    »Im Vergleich zu minem Wohnort Linach isch’s des gar net«, erklärte Winterhalter. »Aber im Vergleich zu Kiel wohl scho – wie halt die ganze Region. I beischspielsweise bin nebenher no Landwirt. Wenn Sie mol frisch g’schlachtetes Kalbfleisch oder en richtig herzhafte Schwarzwälder Schinke habe wollet – bei mir git’s des zum Selbschtkostenpreis. Soll i Ihne mol e Probiererle zuschicke?« Winterhalter schnäuzte wieder in sein Taschentuch. Mist! Womöglich hatte er sich auf dem Motorrad oder im Ravensburger Eisstadion erkältet. »Oder e Schwarzwälder Kirschwässerle?«
    Auch wenn der Kollege am anderen Ende der Leitung nur die Hälfte verstanden hatte, war er baff: ein Kripobeamter als Nebenerwerbslandwirt? Vermutlich saß ihm da ein Mann im Trachtenjanker mit schmutzigen Fingernägeln gegenüber, der zwischen zwei Kalbungen noch die Kleinstadtverbrechen aufklärte. Nicht zu fassen.
    Noch entsetzter wäre Thomsen freilich gewesen, wenn er gewusst hätte, wie genau sein imaginäres Bild von Winterhalter mit der Wirklichkeit übereinstimmte.
    Der Kieler Kommissar pochte nämlich sehr auf Sauberkeit. Sein Büro war porentief rein, sein Spitzname im Präsidium »Sagrotan«, weil er stets alles abputzte – selbst den Telefonhörer vor und nach der Benutzung.
    »Du hast schwere Phobien«, hatte ihm seine Frau mit auf den Weg gegeben, ehe sie ihn vor einiger Zeit verlassen hatte.
    Mochte sein.
    Bei jedem lautstarken Schnäuzen seines Schwarzwälder Gesprächspartners spürte Thomsen jedenfalls ein immer stärker werdendes Jucken. Und nicht nur deshalb verzichtete er dankend auf das Angebot der Speckpost. Eigentlich hätte er gern das Telefonat beendet, doch der Kollege hatte sich festgebissen. Offenbar hielt er sein Angebot, diese Fleischabfälle aus seinem Stall gen Norden zu schicken, für eine Eintrittskarte, um Thomsen auszufragen.
    »Des mit de Rotlichtkontakte hab i scho in mehrere Zeitungsartikel im Internet g’lese …«
    Immerhin, dachte Thomsen. Internet gibt’s dort also schon.
    »In was sind diese ›Heroes‹ denn sonscht no verwickelt? Im Konstanzer Casino hän die ihre Finger nämlich au irgendwie drin …«
    »Das wundert mich nicht«, meinte Thomsen und blickte auf die große Uhr an der Wand, die ein Schlachtschiff zeigte. »Mehr oder weniger alles, womit sich Geld machen lässt. Rotlicht, Sicherheitsdienstleistungen

Weitere Kostenlose Bücher